© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Markus Meinzer provoziert: Wir sind nicht Opfer, sondern Nutznießer von Finanzflucht.
Steueroase Deutschland
Christian Schreiber

Deutschland als Vorreiter gegen Geldwäsche und Steueroasen? Von wegen!“ Mit Sätzen wie diesen, etwa im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, im Stern oder der Zeit, provoziert Markus Meinzer. Dabei scheiden sich an dem alerten Mittdreißiger mit dem markanten Kahlkopf die Geister. Die einen sehen in ihm einen mutigen Kämpfer für ein gerechteres Steuersystem, andere einen (christlich motivierten) Idealisten, der sich weigert, die Regeln der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu verstehen.

Meinzer ist Steuerexperte und quasi Sprachrohr des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Zu dessen Mitgliedern gehören globalisierungskritische Gruppen wie Attac oder Transparency International, aber auch die katholische Hilfsorganisation Misereor oder der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt. 

Der Öffentlichkeit ist der 1979 in Karlsruhe geborene Meinzer nicht nur durch seine Medienauftritte, sondern nun auch durch sein Buch „Steueroase Deutschland“ bekannt geworden. Dort gewährt er Einblick in seine Motivation: „Für meine Weggefährten im Glauben an den auferstandenen, lebendigen Gott bin ich zutiefst dankbar.“ Es sind Sätze wie diese, die im Gegensatz zu den steilen Thesen stehen, die Meinzer aufstellt. „Kapitalisten zahlen keine Steuern“, lautet eine seiner Botschaften. Und prangert die mangelnden Erfolge bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung an. Aber nicht nur das. 

„Steueroasen? Das waren bisher immer die anderen!“ heißt es in „Steueroase Deutschland“. Zuflucht und Unterstützung böten keineswegs nur die bekannten Steuerparadiese „unter den Palmen der Südsee“. Und auch die Verteufelung der Schweiz in Sachen Steuerabkommen durch deutsche Politiker sei geradezu heuchlerisch. Deutschland, so Meinzer, verhalte sich im Kampf um das angeblich scheue, stets zur Flucht bereite Kapital selbst nicht anders: Unsere Politiker müßten „sich unbedingt an die eigene Nase fassen. In vielerlei Hinsicht können wir es mit den Cayman Islands oder den Virgin Islands – den notorischen Steueroasen – aufnehmen“, erklärte der Autor in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

So lagerten derzeit etwa 2.500 Milliarden Euro Vermögen ausländischer Privatanleger in deutschen Banken – und zwar unversteuert. „Im Kampf um Investoren und im Buhlen um das internationale Finanzkapital wird auch hierzulande bei den Steuertricks der Konzerne weggeschaut, rollt man Schwarzgeld den roten Teppich aus und bleiben die Aufsichtsbehörden zu schwach, um dem Treiben Einhalt zu gebieten“, klagt Meinzer.

Allerdings finden sich im Buch zwar viele Behauptungen, aber nur wenige Belege. Recht hat Meinzer aber ganz sicher, wenn er den Widerspruch zwischen dem staatlich propagierten Kampf gegen Steuerhinterziehung und dem gleichzeitig betriebenen Personalabbau bei den Finanzbehörden herausstreicht.