© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Frisch gepresst

Arme Rentner. Der Abstieg von Michael Opoczynski begann vor fünf Jahren. Damals wurde der 62 Jahre alte Sozialdemokrat als Leiter des ZDF-Magazins „Wiso“ abgelöst. Vor zwei Jahren wurde das bekannte Fernsehgesicht dann auch als Moderator endgültig in Rente geschickt. Seitdem schreibt er zornige Bücher. 2015 erschien „Krieg der Generationen – und warum unsere Jugend ihn bald verloren hat“, darin beklagt der Vater eines Sohnes, daß „seine“ Generation die der Heuschrecken sei, „die sich nicht schert, was nach ihr kommt, sondern frißt, was ihr unterkommt“. Zu seiner Philippika paßt es dann auch, daß er mit stringenter Oberflächlichkeit „Stuttgart 21“- und „Pegida“-Demonstanten als „ältere Wutbürger“ abqualifiziert. Sein neuestes Rentner-Buch „Aussortiert und abkassiert – Altwerden in Deutschland“ ist substantieller und durchaus lesenswert. Opoczynski schildert darin anhand zahlreicher Beispiele, daß es nicht nur einzelne Nepper, Schlepper und Bauernfänger oder Ärzte und Pflegeheime sind, die die deutschen Rentner ausnehmen – dahinter stecke System: Die Altersdiskriminierung beginne schon „im Arbeitsleben und wird da wirksam, wenn sich um dieselbe Stelle ein 30jähriger und 50jähriger bewerben“. (fis)

Michael Opo-czynski: Aussortiert und abkassiert – Altwerden in Deutschland. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016, broschiert, 256 Seiten, 19,99 Euro




Rudolf Augstein. An Biographien des Spiegel-Übervaters herrscht kein Mangel; der Bogen spannt sich von noch zu Lebzeiten Augsteins entstandenen (Ulrich Greiwe, Leo Brawand) bis zu nach seinem Tod 2002 erschienenen monographischen Lebensbeschreibungen (Dieter Schröder, Peter Merseburger). Jetzt hat Rudolf Augsteins ehemalige Büroleiterin Irma Nelles diesen Porträts eine weitere Facette hinzugefügt. Das Erinnerungsbuch der heute 69jährigen, die 1973 im Bonner Spiegel-Büro zunächst als Sekretärin anheuerte, ist freilich weniger eine Biographie als ein in lakonischem Kaffeekränzchen-Plauderton vorgetragenes Psychogramm ihres früheren Chefs, das meist wenig tiefschürfend daherkommt. Sie beschreibt Augstein als beziehungsunfähigen, zuweilen manisch-depressiven, männerbündlerischen, dem Alkohol und amourösen Abenteuern zugetanen Mann, der zu seinem 62. Geburtstag einen Goldfisch geschenkt bekommt, „damit ich nicht so einsam bin “ (Augstein). (tha)

Irma Nelles: Der Herausgeber. Erinnerungen an Rudolf Augstein. Aufbau Verlag, Berlin 2016, gebunden, 320 Seiten, 22,95 Euro