© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Frisch gepresst

Franktireurkrieg. Spätestens seit „Kulturpessimismus als politische Gefahr“, jener 1963 von dem Breslauer Emigranten Fritz Stern in deutscher Übersetzung herausgegebenen „Analyse nationaler Ideologie“, kennt die Bereitschaft der bundesdeutschen Öffentlichkeit, sich ihre Geschichte ins Reeducation-Raster pressen zu lassen, keine Obergrenzen. Und dieses vielfach erprobte, finanziell lukrative geschichtspolitische Rezept, deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts zur „Tätervolk“-Geschichte umzudeuten, bewährte sich ebenso bei John Hornes und Alan Kramers Kolportageroman über die „deutschen Kriegsgreuel“ in Belgien im Sommer 1914 (2004). An der Lehrstuhl-Front erhob sich dagegen kein Widerspruch. Was damals ausblieb, holt die ausgreifende Untersuchung des pensionierten Studiendirektors Gunter Spraul nach. Dessen auf breitestem Quellenfundament, mit steuerprüferischer Unbestechlichkeit erstellte Studie über den tatsächlichen Ablauf des deutschen Einmarsches in Belgiens gerät zur Sternstunde zeithistorischer Wissenschaft. Atemlos folgt der Leser dem Autor über 600 Seiten, bis er am Ende überzeugt ist, den Kramer/Horne-Band ohne Reue dem „üblichen Wegwurf“ (Rudolf Borchardt) überantworten zu dürfen. (wm)

Gunter Spraul: Der Franktireurkrieg 1914. Verlag Frank & Thimme, Berlin 2016, gebunden, 678 Seiten, Abbildungen, 68 Euro




Verdun. Zwischen 1995 und 2005 gingen die Besucherzahlen der weitläufigen Gedenkstätten Verduns um ein Drittel, von 320.000 auf 230.000 zurück. Die betroffenen Gemeinden reagierten darauf mit Konzepten, die die historischen Stätten „attraktiver“ machen sollten. Ob dies bis heute gelungen ist, verraten Gerd Krumeich und Antoine Prost, die Verfasser der ersten deutsch-französischen Darstellung der Schlacht um Verdun, zwar nicht. Aber bereits diese Erwähnung der lokalen Wahrnehmung, die eine Schlacht mit 300.000 Toten primär als profitable Touristenattraktion auffaßt, bringt vermeintlich gesichertes Wissen über die Geschichte des Ersten Weltkrieges ins Wanken. So ist es weniger die Schilderung der gut erforschten militärischen Auseinandersetzung in der „Hölle von Verdun“, sondern die sich – mehr fragend als mit wohlfeilen Antworten aufwartend – dem „Mythos Verdun“ widmende Erinnerungsgeschichte, die dieses Werk auszeichnet. (dg)

Gerd Krumeich, Antoine Prost: Verdun 1916. Die Schlacht und ihr Mythos aus deutsch-französischer Sicht. Klartext Verlag, Essen 2016, gebunden, 272 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro




Richthofen. Kein anderer deutscher Jagdflieger konnte mehr Luftsiege verbuchen als Rittmeister Manfred von Richthofen. Schon zu Lebzeiten eine Legende, mehrte sich sein Ruhm noch nach seinem Tod am 21. April 1918. Ausgezeichnet mit dem Pour le Mérite, wurde der „Rote Baron“ zur Soldatenikone. Ritterlichkeit, Tapferkeit, Wagemut – von Richthofen verkörperte soldatische Tugenden wie kaum ein anderer deutscher Soldat des Ersten Weltkriegs, glaubt man den zahlreichen Erzählungen über seine Person. Joachim Castan hat nun eine Biographie vorgelegt, die durch ihre Wertfreiheit besticht. Weder versucht er, den Nimbus des „Roten Barons“ zwanghaft zu widerlegen, noch versucht er, die Schrecken des Ersten Weltkriegs, unter denen auch von Richthofen litt, zu beschönigen. (krk)

Joachim Castan: Der Rote Baron. Die ganze Geschichte des Manfred von Richthofen. Klett-Cotta, Stuttgart 2016, broschiert, 360 Seiten, 12,95 Euro