© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Wirtschaft warnt vor Milliardenkosten bei Grenzkontrollen
Abenteuerliche Zahlen
Michael Paulwitz

Treue Büchsenspanner der Kanzlerin in den Wirtschaftsverbänden fahren gern großes Zahlengeschütz auf, um vor ständigen Grenzkontrollen zur Eindämmung der Asylkrise zu warnen. Staus, Wartezeiten oder gestörte „Just in time“-Lieferketten könnten die deutsche Wirtschaft schnell zehn Milliarden im Jahr kosten, warnt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Die EU-Kommission beziffert die „gewaltigen ökonomischen, politischen und sozialen Kosten“ gar auf sieben bis 18 Milliarden im Jahr.

Andere langen beherzter zu, etwa die Regierungsberater von France Stratégie, die einfach mal hundert Milliarden Euro Verlust pro Jahr annehmen. Oder das Prognos-Institut, das seine Horrorzahlen auf zehn Jahre hochrechnet und bis 2025 auf ein Minus von 235 Milliarden für Deutschland und 1,4 Billionen europaweit kommt. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer malt gleich den Untergang Europas an die Wand: Grenzen zu schließen sei „das Gegenteil dessen, was unsere Nation groß gemacht hat“, schimpft er, als hätte das deutsche Wirtschaftswunder erst vor zwanzig Jahren mit Schengen angefangen: „Was da an Kollateralschäden akzeptiert wird, um den Stammtisch zu befriedigen, ist abenteuerlich.“

Freilich muß man nicht gleich am Stammtisch Platz nehmen, um solche Tatarenmeldungen für „deutlich übertrieben“ zu halten (JF 11/16). Realistisch sind für Ifo-Forscher Gabriel Felbermayr Belastungen von zwei bis fünf Milliarden jährlich; die ökonomischen Konsequenzen von Personenkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen wären damit überschaubar. An den US-Grenzen zu Kanada und Mexiko komme man mit solchen De-facto-Zöllen von 0,5 Prozent ja auch gut zurecht.

Vor allem aber verweist die Ifo-Studie auf den entscheidenden Denkfehler: Die Kosten von Grenzkontrollen machen nur „einen Bruchteil jener Belastungen aus, die durch fortgeführte ungeregelte Massenzuwanderung entstehen würden“. Auch das sind volkswirtschaftliche Kosten. Die zuletzt geschätzten zwanzig Milliarden Euro jährlich sind eher die Untergrenze. Politiker und Verbandsfunktionäre mögen sich das als „Zukunftsinvestition“ schönrechnen, seriöse Ökonomen nicht. Dagegen sind die Ausgaben für das Herausfiltern und Abweisen unberechtigter Anspruchsteller an den Grenzen bei weitem das kleinere Übel. Noch besser freilich wäre, künftige Transferempfänger gar nicht erst anzulocken. Wenn man Hartz-IV-Beziehern bei Fehlverhalten die Bezüge kürzen kann, ohne als humanitäres Monster dazustehen, sollte man auch das Füllhorn für falsche Asylforderer verstopfen können. Statt allzeit brav ins gleiche Merkelhorn zu tuten, könnten die Wirtschaftsverbände die Hausherrin ja auch darauf einmal hinweisen.

„Handelseffekte von Grenzkontrollen“, im Ifo Schnelldienst 69/16:  www.cesifo-group.de