© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

„Übergangslösung in schwieriger Zeit“
Sachsen: Der Freistaat setzt zur Verbesserung der inneren Sicherheit auf die wiederbelebte Wachpolizei und kann sich vor Bewerbern kaum retten
Paul Leonhard

Von Plakaten lächeln zwei uniformierte Pärchen optimistisch: „Wachpolizei – Die Berufschance für alle, die Berufung suchen“, steht darauf. Der Freistaat Sachsen wirbt für seine gerade wiederbelebte „Billigpolizei“. Gesucht werden Bürger zwischen 22 und 33 Jahren, die bereit sind, für zwei Jahre und für 1.450 Euro netto Polizist zu werden. Eine Kampagne, die sich das Innenministerium hätte sparen können. Denn schon frühzeitig, der Landtag hatte das entsprechende Gesetz noch gar nicht beschlossen, zeichnete sich ein großes Interesse an der Ausbildung zum Wachpolizisten ab. Schnell hatten sich 1.500 Frauen und Männer auf die 550 Stellen beworben.

Die Wachpolizei ist nicht unumstritten. Von den Vollzugsbeamten der Landespolizei unterscheiden sich deren Angehörige dadurch, daß sie keine Beamten sind und nur befristet angestellt werden. Trotzdem haben sie teilweise die gleichen Befugnisse. So dürfen sie Bürger befragen, durchsuchen, in Gewahrsam nehmen, Identitäten feststellen, Platzverweise erteilen, Wohnungen betreten und Sachen beschlagnahmen. Als Ausrüstung stehen neben Reizstoffen, Schlagstöcken auch Pistolen zur Verfügung. Letzteres wird besonders kritisiert.

Hessen sucht neue Objektschützer

Den Wachpolizisten eine Schußwaffe zu geben, sei absurd, findet der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Hagen Husgen. Es fehle ausreichendes Schießtraining und psychologische Schulung. Auch hält Husgen Wachpolizisten für den Schutz von Flüchtlingsunterkünften für ungeeignet. Da hätten schon gestandene Polizisten zu kämpfen. Polizisten, die nach einer so kurzen Ausbildung eine Waffe erhalten, möchte auch der Vorsitzende der GdP in Thüringen, Kai Christ, „nicht wirklich haben“. Er lehnt Pläne für Wachpolizisten in dem Bundesland kategorisch ab.

Die Wachpolizei ist beileibe keine sächsische Erfindung. Bereits Anfang der achtziger Jahre sollten Wachpolizisten die Schutzpolizei entlasten. So wurden gemischte Streifen eingesetzt. Allerdings wurde dieses Experiment aufgrund rechtlicher Bedenken bald abgebrochen. In Hessen werden seit 2000 Wachpolizisten erfolgreich zum Schutz von Objekten eingesetzt. Zwei Jahre später stellte auch Sachsen 209 Wachpolizisten ein. Während hier aber das Gesetz 2006 auslief und die meisten Angestellten in den Polizeivollzugsdienst übernommen wurden, stockte man in Hessen die Wachpolizei kontinuierlich auf 640 Personen auf. Zur Zeit laufen dort Bewerbungs- und Eignungsauswahlverfahren. Berlin setzt ebenfalls Wachpolizisten zum Objektschutz ein. Entsprechende Pläne gibt es auch in Sachsen-Anhalt.

Die GdP Sachsen ist dagegen hin und her gerissen. Erst die Praxis werde zeigen, ob die Wachpolizei den Vollzugsdienst entlaste oder noch mehr belaste. Aktuell sprechen die Gewerkschafter von einer „aus der Not geborenen temporären Möglichkeit“. Sie erinnern daran, daß sie sich bereits 2002 gegen die „Billigpolizei“ ausgesprochen und dafür mehr Stellen für den Polizeivollzugsdienst gefordert hatten. Die CDU-geführte Landesregierung in Dresden strich stattdessen kontinuierlich Stellen, legte Polizeireviere zusammen und nahm in Kauf, daß die Bevölkerung insbesondere ob der in den Großstädten und Grenzgebieten steigenden Kriminalitätsrate unruhig wurde. Erst die vielerorts auch im Freistaat angedrohte Gründung von Bürgerwehren und die andauernden Pegida-Demonstrationen sorgten bei Innenminister Markus Ulbig (CDU) für ein Umdenken. Er spricht jetzt von einer „Übergangslösung in schwieriger Zeit“.

„Sturheit und Sparwahn werden bestraft“, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaft. Die aktuell entstandene „außergewöhnliche Situation“, das Wort Polizeinotstand spart sich die GdP noch auf, erfordere „eine flexible und ehrliche Denkweise“. Denn auch die Ausbildung von Wachpolizisten erfordere personelle und räumliche Kapazitäten. Für die ersten 50 Wachpolizisten hat die zwölfwöchige Ausbildung bereits im Februar begonnen. Ab 1. Mai sollen sie dann zum Einsatz kommen. Die Grünen warnen bereits vor einem „personifizierten Sicherheitsrisiko auf zwei Beinen“.