© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Intime Tips für Flüchtlinge
Asylkrise: Mit einer eigens eingerichteten Internetseite versucht das Familienministerium, Einwanderer sexuell aufzuklären
Martin Voigt

Brauchen Einwanderer Tips zur Selbstbefriedigung oder zum Gelegenheitssex? Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist dieser Ansicht. Mit der Online-Plattform Zanzu will sie ihnen rund um das Thema Sex zur Seite stehen. Bunte Zeichnungen und einfache Texte erklären den „Körper in Wort und Bild“ – von Analverkehr bis Zungenkuß. Auch in Gebärdensprache sollen die Informationen bald zugänglich sein. Wer den Begriff „Oralsex“  nur auf arabisch kennt, findet auf Zanzu eine Übersetzungshilfe.

Die Startseite bietet sechs mit Piktogrammen versehene Menüfelder: Körper, Familienplanung und Schwangerschaft, Infektionen, Sexualität, Beziehungen und Gefühle und als letztes Feld Rechte und Gesetze. Sie führen in das jeweilige Thema. Ärzte und Berater von Asylbewerbern sollen als Multiplikatoren der Seite dienen. Gemeinsam kann man sich bis zu den visualisierten Erklärungen durchklicken.

Ein Klick auf das Feld „Beziehungen“ offenbart, wie komplex das Zwischenmenschliche ist. Gleich 14 rosa eingerahmte Piktogramme mit Titeln wie „Arten von Beziehung“, „Heirat“ und „Scheidung“ oder „Homosexualität“ führen den Einwanderer und seine Berater in die Welt der sogenannten offenen Gesellschaften. 

Beim „Kontakt für Gelegenheitssex“ können sich „die Partnerinnen/Partner in einer anderen Beziehung mit einer oder mehreren anderen Personen befinden“, heißt es in geschlechtergerechter Sprache. Nach Angaben der Behörde gehe es darum, bei den Neuankömmlingen „Ängste und Unsicherheiten abzubauen“ und ihnen Wissen zur „sexuellen Gesundheit“ zu vermitteln. Mit Blick auf den kulturellen Hintergrund der Zielgruppe werden auch Aspekte wie die weibliche Genitalverstümmelung, ehrbezogene Gewalt oder das Recht auf Abtreibung besprochen.

Die Entwicklungskosten der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Webseite betrugen nach Angaben der Behörde 130.000 Euro. Zusätzlich fallen monatlich geschätzte 1.000 Euro Betriebskosten an, teilte die Bundeszentrale auf Anfrage der jungen freiheit mit. 

Monatlich 1.000 Euro Betriebskosten

Die Seite kann auf arabisch, türkisch, englisch und zehn weiteren Sprachen angezeigt werden. Zudem gibt es eine Vorlesefunktion. Unter den auf Asylbewerber zugeschnittenen Empfehlungen finden sich auch  Hygiene-Tips für „Sexarbeiter.“ Die Zeichnungen neben den kurzen Texten zeigen zum Beispiel zwei dunkelhäutige Männer vorm Traualtar („Homosexualität“), eine blonde Prostituierte („Sexarbeit“) oder ein hellhäutiges, heterosexuelles Hochzeitspaar.

Rot umrandet sind die Menüfelder der Kategorie „Sexualität“, die sich unter anderem in „Sex“, „sexuelles Vergnügen“, „Jungfräulichkeit“und „Das erste Mal“ unterteilt. In Wort und Bild werden die Einwanderer hier aufgeklärt. Ihr kultureller Hintergrund bleibt dabei immer im Blick: „Einige Menschen haben Sex vor der Heirat und andere warten bis nach der Heirat. Manche Menschen haben nur eine Partnerin/einen Partner, andere haben mehrere.“ Wer in Deutschland lebt, habe das Recht, selbst zu bestimmen. In einer guten Beziehung gehe es darum, „wie Sie beide sich fühlen“.

„Zu uns geflüchtete Menschen“ bräuchten anschauliche Informationen zu allen Fragen „sexueller und reproduktiver Gesundheit“, begründete die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Elke Ferner (SPD), Ende Februar die Einrichtung der Internetseite. Ergänzend heißt es dazu in der Pressemeldung, Zanzu richte sich vor allem Asylbewerber, die noch nicht lange in Deutschland leben. „Diese Personengruppen machen in Deutschland einen zunehmenden Anteil der Bevölkerung im reproduktiven Alter aus.“ 

Doch ganz so offensiv wird die Internetseite Asylbewerbern nun offenbar doch nicht präsentiert. „Flüchtlinge waren nicht primär die Zielgruppe der Webseite. Die BZgA macht Ankommende nicht auf die Webseite aufmerksam“, teilte die Behörde auf Nachfrage der JF mit. Zanzu richte sich „in erster Linie an Multiplikatoren“, die erwachsene Migranten beraten oder behandeln, zum Beispiel an Ärzte oder Schwangerschaftsberatungsstellen.