© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

Ein Aufstieg in 24 Stufen
AfD: Nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen am Sonntag ist die Partei endgültig in der deutschen Politik angekommen
Marcus Schmidt

Nach dem Wahlerfolg am Sonntag in drei Bundesländern (siehe Seite 7) folgte für die AfD am Montag auch in Berlin der Aufstieg. Für die Wahlnachlese vor der Presse ging es für die AfD-Spitzenkandidaten Uwe Junge (Rheinland-Pfalz), André Poggenburg (Sachsen-Anhalt) und Jörg Meuthen (Baden-Württemberg) sowie Parteichefin Frauke Petry und ihren Stellvertreter Alexander Gauland erstmals die 24 Stufen der Freitreppe hinauf, die in den Saal der Bundespressekonferenz führt. Die Einladung der Hauptstadtjournalisten machte symbolisch deutlich, daß die Partei nach den durchweg zweistelligen Ergebnissen vom Wochenende endgültig in der deutschen Politik angekommen ist. „Wir sind der Meinung, daß gestern ein sehr guter Tag für die Demokratie in diesem Land war“, sagte Petry, die charakteristische blaue Wand im Rücken, mit Blick auf die gestiegene Wahlbeteiligung. „Die Aufforderung an die Bürger, zur Urne zu gehen, hat sie vor allem dazu gebracht, uns zu wählen.“  In der Partei ist die Stimmung seit dem Wahlabend auf dem Höhepunkt. Von einer politischen Zeitenwende und einem epochalen Ergebnis ist die Rede. Alle wissen: Nach der Spaltung der Partei im Juli vergangenen Jahres und dem Absturz der AfD in den Meinungsumfragen unter die Fünfprozenthürde sind diese Erfolge keine Selbstverständlichkeit. Angesichts des Höhenfluges, der die Partei in Sachsen-Anhalt zur zweitstärksten Kraft im Landtag machte und ihr sogar 15 Direktmandate bescherte (zwei weitere kamen in Baden-Württemberg hinzu), wird manchen fast schon schwindelig. Denn der Wahlkampf hat in den vergangenen Monaten mehrere ungelöste Konflikte in der Partei verdeckt, die nun wieder aufbrechen könnten. Klar dürfte zunächst sein, daß sich die Tektonik innerhalb der Partei verschiebt. Bislang wurde die AfD in der Öffentlichkeit durch ihre Fraktionen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen häufig als ostdeutsche, nationalkonservativ geprägte Partei wahrgenommen. Den Fraktionsvorsitzenden Petry, Gauland und Björn Höcke, die für ihre Arbeit auf die Ressourcen ihrer Fraktionen zurückgreifen können, kam dadurch innerhalb der Partei eine Sonderstellung zu. Das wird sich nun ändern. Denn verglichen mit den westdeutschen Flächenländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, sind die AfD-Hochburgen im Osten (Sachsen-Anhalt eingeschlossen), relativ klein. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Wählerstimmen: So bekam die AfD am Sonntag allein in Baden- Württemberg mehr Stimmen (809.311 Wähler), als sie in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt zusammen erzielt hat (651.065 Wähler). Schon dadurch wird Petrys Co- Parteichef Jörg Meuthen innerhalb der Partei deutlich an Gewicht gewinnen. Auf die Frage, ob nun der liberale Flügel der Partei wieder gestärkt werde, gab sich Meuthen am Montag in Berlin zurückhaltend. „Ich werde beides abbilden, das Konservative und das Liberale“, sagte er und fügte hinzu: „Wenn meine Stimme jetzt aber ein Stück weit vernehmlicher wird, soll mich das freuen.“ 

Die drei neuen Fraktionen werden in den kommenden Wochen ihre Arbeit aufnehmen. Neben der Konstituierung gilt es, den Apparat aufzubauen. Schon jetzt sind bei der AfD in Stuttgart, Mainz und Magdeburg zahlreiche Bewerbungen für die zu vergebenden Referenten- und Sprecherstellen eingegangen. Mit Sorge blicken dabei viele in der Partei nach Magdeburg. Mit 24 Sitzen im Landtag stellt die AfD dort künftig die mit Abstand größte AfD-Fraktion. In der Parteispitze wird befürchtet, daß der relativ kleine Landesverband durch diesen Erfolg an seine Grenzen stößt. Schon im Wahlkampf war die Partei in Sachsen-Anhalt auf Hilfe aus anderen Landesverbänden angewiesen. Hinzu kommt, daß der designierte Fraktionsvorsitzende André Poggenburg nach seiner Affäre um die gegen ihn in der Vergangenheit erlassenen Haftbefehle als angeschlagen gilt. Nun will die Berliner Parteispitze den Magdeburgern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Bereits Ende April steht dann der mehrmals verschobene Programmparteitag der AfD an. Denn trotz ihrer zahlreichen Erfolge hat die Partei noch immer kein Grundsatzprogramm. Daß der Mitgliederparteitag in Stuttgart geräuschlos über die Bühne gehen wird, glaubt kaum jemand. Doch an Streit möchte in der AfD derzeit noch niemand denken. Ebensowenig an Ex-Parteichef Bernd Lucke. Der war auf der Berliner Wahlparty am Sonntag nur einmal Thema. „Mit dem vorsichtigen Kurs von Bernd Lucke hätten wir diesen Erfolg niemals errungen“, sagte ein Parteifunktionär.