© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

EZB senkt Leitzins auf null Prozent
Viel Geld für nix
Dirk Meyer

Banken können sich künftig zu 0,00 Prozent mit Zentralbankgeld versorgen, müssen jedoch einen Strafzins von 0,4 Prozent entrichten, wenn sie ihre überschüssige Liquidität dort parken. Zudem weitet die EZB ihr Ankaufprogramm aus: Statt monatlich 60 Milliarden kauft sie ab April 80 Milliarden Euro an Wertpapieren auf. Ab Juni wird sie den Banken zudem erneut Kredite mit einer Laufzeit von vier Jahren anbieten – voraussichtlich zu einem Negativzins: Kreditnahme wird belohnt.

Welche Ziele steuert die EZB damit an? Offiziell will sie eine drohende Deflationsspirale vermeiden und durch eine erhöhte Kreditvergabe die Konjunktur beflügeln. Mindestens ebenso wichtig sind aber die ungenannten Absichten: die Stützung des maroden italienischen und griechischen Bankensektors sowie der Zugang der Krisenstaaten zu günstigem Staatskredit. Doch wie sind die Erfolgsaussichten?

Problemkredite, bei denen ein Verzug bei Tilgung und Zinsen besteht, belasten italienische und griechische Geschäftsbanken im Umfang von 360 bzw. 80 Milliarden Euro, entsprechend einem Anteil von 20 und 40 Prozent ihres gesamten Kreditvolumens. Um ihre Zahlungsfähigkeit zu erhalten, werden der Zugang zu Nullzins-EZB-Krediten offengehalten und die dem Konkurs nahen Institute künftig mit einem Bonuszins für Kredit belohnt – verkehrte Welt! Sodann bekommen Unternehmen in Krisenländern günstigen Kredit für Investitionen, die sich aufgrund der dortigen Rahmenbedingungen eigentlich nicht rentieren. Im Ergebnis kommt es zu einer Kapitalfehlleitung aus den Kernländern in die Krisenländer, die keinerlei Anreize zu Strukturreformen empfinden.

Der Strafzins für Guthaben bei der EZB trifft vor allem gutgehende Institute der Euro-Kernstaaten, die Überschußliquidität haben. Wollen sie den Negativzins nicht an ihre Sparer weiterreichen, bleibt ihnen nur die Erhöhung der Gebühren oder ein Aufschlag auf die Kreditzinsen. Die Rentabilität sinkt, belastet die Haftungsbasis und schwächt die Stabilität des hie-sigen Bankensektors. Durch den Ankauf von Staatsanleihen – zukünftig auch von Unternehmensanleihen guter Bonität – wird die EZB zum marktmächtigen Akteur und Zinssetzer. Die Marktkontrolle des Kreditzugangs von Staaten und Unternehmen wird außer Kraft gesetzt. Krisenstaaten können ihre Haushaltssanierung aufschieben. Schließlich: Wo bleibt das Geld der EZB? Wie die weiterhin niedrige Inflationsrate zeigt, geht die Liquidität vornehmlich in den Kauf von Aktien und Immobilien – der Beginn einer Blasenbildung. Zunehmend stellt sich daher die Frage: Wird der Euro die nächste Finanzmarktkrise überstehen? 






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg.