© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

Jazz als Fortsetzung der Reeducation
Agnes Hartmanns Dissertation zur Geschichte und zu Strategien der United States Information Agency in Deutschland
Konrad Faber

Die United States Information Agency (USIA) ist eine heute kaum mehr bekannte amerikanische Regierungsorganisation, welche sich zu Zeiten des Kalten Krieges das Ziel setzte, über amerikanische Politik aufzuklären und dabei amerikanische Kultur und Lebensweise, „American Way of Life“ genannt, weltweit zu propagieren. Deutschland war eines der Hauptschlachtfelder in jenem Propagandakrieg, der sich vorrangig gegen die Sowjetunion richtete. 

Bereits kurz nach ihrer Gründung, im Jahr 1953, standen 154 amerikanische und 1.630 einheimische Mitarbeiter in Deutschland in den Diensten der USIA, während es beispielsweise in der Dominikanischen Republik nur ein einziger Amerikaner und zwei einheimische Helfer waren. Ab 1953 existierten in Deutschland 47 „Amerikahäuser“ (das letzte in Köln wurde erst 2007 geschlossen), 147 Bibliotheken und 20 fahrende Büchereien inklusive Musikbibliotheken. 

Gerade der damals beliebte Jazz war ein erfolgreiches Mittel, die damals nicht allzu sehr von der amerikanischen Hochkultur überzeugten Deutschen geistig für sich einzunehmen. Die Tätigkeit der USIA schloß sich nahtlos an die Politik der „Reeducation“ an, die ab 1945 von den amerikanischen Besatzungsbehörden betrieben wurde. Nicht umsonst entstammte das amerikanische Personal der USIA in Deutschland vorrangig aus einstigen Besatzungsbehörden oder aber dem amerikanischen diplomatischem Dienst, während die deutschen Referenten entweder aus den USA heimkehrende Emigranten oder solche Deutsche waren, welche sich aus Studiengründen längere Zeit in den USA aufgehalten hatten. 

Ihre Aufgaben, die „Public Diplomacy“ zugunsten der USA einschlossen, erfüllte die USIA in Deutschland recht erfolgreich. Allerdings beachtete man seinerzeit seitens der USIA wichtige lokale Besonderheiten. So hatte das Problem der Wiedervereinigung für alle Westdeutschen einen hohen emotionalen Wert, wenngleich dieser  aus amerikanischer Sicht, zwecks fester Einbindung der Bundesrepublik in das westliche Bündnis, eigentlich kontraproduktiv war. 

Aber diesen ideologischen Spagat bekam man ganz gut hin, während gegenwärtig die „Public Diplomacy“ in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, welche man seitens der USA mittels der alten, einst erfolgreichen Rezepte aus der Zeit des Kalten Kriegs führt, nicht so recht zu klappen scheint. Dies meint zumindest Agnes Hartmann, die Erforscherin der Geschichte der USIA in Deutschland, im Fazit ihres Buches, das als Band 56 von „Mosaic“, der „Studien und Texten zur amerikanischen Kultur und Geschichte“ erschienen ist. 

Zudem beklagt Hartmann, daß ihr in den einschlägigen amerikanischen Archiven mancherlei wichtige Dokumente entweder gar nicht oder nur mit teilweisen Schwärzungen ausgehändigt wurden. Dies geschah, obwohl ansonsten solche Dokumente nach Ablauf von dreißig Jahren frei zugänglich sind. Agnes Hartmann vermutet, daß damit einschlägige CIA-Aktivitäten unter der Decke gehalten werden sollen. 

Auch wenn sich das Buch in Form einer spröden politikwissenschaftlichen Dissertation präsentiert, so gibt es doch Aufschluß über Formen und Methoden amerikanischer Massenpropaganda in Deutschland, als die vormaligen Dampfhammermethoden der „Reeducation“ ausgedient hatten. 

Agnes Hartmann: Kalter Krieg der Ideen. Die United States Information Agency in Westdeutschland von 1953–1960. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2015, broschiert, 370 Seiten, 40 Euro