© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

Der Kampf um das Mobiltelefon
Privatsphäre: Apple führt einen Musterprozeß gegen US-Behörden stellvertretend für Millionen Kunden
Christian Schreiber

In den Vereinigten Staaten tobt derzeit eine Debatte, die Wirtschaftsbosse gegeneinander aufbringt und sogar zum großen Thema der Vorwahlen um die Präsidentschaft taugt. In dem Fall geht es zwar offiziell um eine „Ausnahme“, aber die Sache berührt die Themen Freiheitsrechte und Datenschutz unmittelbar. Auf wessen Handys darf der Staat zugreifen?

Die Bundespolizei FBI sucht nach einem Zugriff auf das iPhone eines Terroristen, der gemeinsam mit seiner Frau im vergangenen Dezember in San Bernardino (Kalifornien) 14 Menschen getötet hat. Die Behörde erhofft sich weitere Informationen über die Hintergründe des Terroranschlags. Dies erscheint auf den ersten Blick noch nachvollziehbar. Und  einen Teil der gespeicherten Daten hat das FBI über eine Sicherungskopie des Telefonspeichers in Apples iCloud längst bekommen. Dann unterlief einem Ermittler allerdings ein entscheidender Fehler: Er gab das erforderliche Paßwort mehrfach falsch ein. 

Das Handy ist nun nicht mehr ohne weiteres zu entsperren. Das FBI forderte vom Hersteller Apple, eine Software zu programmieren, die geeignet ist, das iPhone zu entschlüsseln. Dieses Programm solle der Behörde zur Verfügung gestellt werden. 225 Millionen Smartphones hat Apple im vergangenen Jahr verkauft. Grundsätzlich – so argumentieren Datenschützer und der Konzern – könne mit einer solchen Software jedes dieser Handys entschlüsselt werden. 

Donald Trump verhängt Privat-Boykott

Apple-Boß Tim Cook erklärt seine Weigerungshaltung, die in den Chef-etagen von Google über Facebook bis Twitter breite Unterstützung findet, so: „Die Regierung hat uns um etwas gebeten, das wir als zu gefährlich ansehen, um es zu entwickeln. Sie wollen, daß wir eine Hintertür in das iPhone einbauen.“ 

Eine Software zu entwickeln, die das paßwortgeschützte Innere eines iPhones der neuen Generation umgeht, sei wie ein Generalschlüssel, mit dem poten-tiell jedes Handy entsperrt werden kann, erklärte Cook:  „Nicht nur der Staat erhält so Zugang zu den privaten Daten seiner Handys nutzenden Bürger. Auch kriminelle Hacker und auswärtige Regierungen könnten davon profitieren.“ 

Sowohl Apple-Chef Cook als auch FBI-Chef James Comey sollen jetzt vor dem Kongreß ihre Haltung zur Verschlüsselung erklären. Es kann gut sein, daß der Fall vor dem Obersten Gericht landet. 

Untere Instanzen haben bisher der Regierung recht gegeben, dagegen hat der Konzern Berufung eingelegt. Das Justizministerium hat bereits die nächste Gerichtsinstanz angerufen, um den Konzern zum Einlenken zu zwingen. In ihrer Begründung sprechen die Staatsanwälte von einer „Marketingstrategie“ Apples, die der Konzern gezielt einsetze, um sich als Hüter des Datenschutzes aufzuspielen. Es gehe mitnichten um einen Generalangriff auf die Handys unbescholtener Bürger, sondern um einen Einzelfall. Apple-Chef Cook konterte in einer schriftlichen Erklärung, es sei „paradox, daß dieselben Ingenieure, die starke Verschlüsselung zum Schutz der Nutzer einbauen, nun gezwungen werden sollen, diese Sicherungen zu schwächen.“

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump rief seine Anhänger dazu auf, Produkte des Konzerns zu boykottieren, weil dieser die nationale Sicherheit gefährde. Sein Kontrahent Ted Cruz hingegen ist gegen Hintereingänge in jedem Handy. Die Debatte trifft die USA an einem empfindlichen Punkt. Durch die Enthüllungen von Edward Snowden wurde bekannt, daß die Behörden beim Umgang mit Daten ihrer Bürger wenig zimperlich sind.  

Bill Gates fordert Apple    zur Kooperation auf

Sicherheitsexperten wiesen damals darauf hin, daß Kryptographie (Ver- und Entschlüsselung von Daten) die Kernaufgabe von Geheimdiensten sei. Elektronikkonzerne wie Apple, Google und Facebook haben in der Folge des NSA-Skandals  ihre Verschlüsselungsmaßnahmen ausgebaut, um die Daten ihrer Nutzer zu schützen. Wie dieWelt unter Berufung auf US-Medien berichtete, hätten Behörden auch in rund einem weiteren Dutzend Fälle per Gerichtsbeschluß versucht, Konzerne zur Entschlüsselung ihrer Daten zu zwingen. 

Für Aufsehen sorgten Äußerungen von Microsoft-Gründer Bill Gates, der sich auf die Seite der Ermittler stellte. Er sehe darin keinen Präzedenzfall, der in Zukunft die Privatsphäre gefährden würde, erklärte der Technik-Pionier in einem Interview mit der Financial Times. „Das ist ein konkreter Fall, in dem die Regierung nach Zugang zu Informationen fragt“, sagte Gates. Sie verlange keinen allgemeinen Zugriff. Die Situation sei nicht anders als bei einer Telekom-Firma oder einer Bank. Mit dieser Position steht Gates unter seinesgleichen aber alleine. Die Vorstände von Facebook, Google und Twitter solidarisierten sich mit Apple. „Es ist eine generelle Frage, die unsere Grundüberzeugungen berührt“, sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Die US-Bevölkerung ist unterdessen gespalten. 51 Prozent stehen auf seiten der Regierung, 38 Prozent unterstützen Apple.