© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

Rechtsrutsch in Preßburg
Slowakei: Linksnationale Regierungspartei verliert absolute Mehrheit / Sieben weitere Formationen im Parlament / Richard Sulík bald neuer Premier?
Mária Pešeková

Bei den Parlamentswahlen in der Slowakei haben die etablierten Eliten sowie die in- und ausländischen Politanalysten eine krachende Niederlage einstecken müssen: Die seit 2012 mit einer absoluten Mehrheit regierenden linksnationalen Sozialdemokraten (Smer-SD) stürzten von 44,4 auf 28,3 Prozent ab – Umfragen hatten die Partei von Premier Robert Fico auf 35 Prozent taxiert. Die eurokritischen Wirtschaftsliberalen (SAS) von Richard Sulík, denen ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde prognostiziert wurde, landeten mit 12,1 Prozent auf Rang zwei.

Die konservativen Christdemokraten (KDH) scheiterten mit 4,9 Prozent knapp, die einst von der Adenauer-Stiftung unterstützte Ex-Regierungspartei SDKÚ-DS landete mit 0,3 Prozent noch hinter den Grünen (SZS/0,7 Prozent) und den Kommunisten (KSS/0,6 Prozent). Die KDH-Abspaltung „#SIET“ (Netzwerk) des 2014 gescheiterten Präsidentschaftskandidaten und Yale-Absolventen Radoslav Procházka schaffte zwar nicht die erhofften 15 Prozent, aber mit 5,6 Prozent reicht es zumindest, die kleinste von acht Fraktionen zu bilden.

Bisheriger Regierungschef Fico auf Partnersuche

Und diese Zersplitterung des Parlaments macht es nun äußerst schwierig, eine neue Regierung in Preßburg (Bratislava/Pozsony) zu bilden. Fico wurde zwar vom parteilosen Staatspräsidenten Andrej Kiska mit der Regierungsbildung beauftragt, doch ein erneutes Bündnis mit der nationalkonservativen SNS (8,4 Prozent) – was der Smer-SD 2006 die zeitweilige Suspendierung im EU-Sozialdemokratenbündnis SPE einbrachte – reicht nicht aus. Eine Erweiterung um die ganz rechtsaußen angesiedelte Volkspartei (LSNS/8 Prozent) des Präsidenten der Region Neusohl (Banská Bystrica), Marian Kotleba, scheint ausgeschlossen.

Der Europaabgeordnete und SAS-Chef Sulík hat eine künftige Koalition mit Ficos Smer-SD – im Unterschied zu anderen oppositionellen Parteien – schon im Wahlkampf deutlich ausgeschlossen. Sollte Fico keine Mehrheit finden, wäre das eine Chance für Sulík – für seine Koalition müßte er fünf weitere Parteien einbeziehen. Das konservativ-liberale Protestbündnis Olano-Nova (11 Prozent) des SAS-Abtrünnigen und Zeitungsunternehmers Igor Matovic hat schon zugesagt. Die Olano-Kandidaten sind Unternehmer, überzeugte Katholiken, die auf Facebook täglich Zitate aus der Bibel veröffentlichen, sowie Aktivisten des Kampfes gegen die weit verbreitete Korruption.

Auch auf #SIET und die moderate Ungarn-Partei Most-Híd (6,5 Prozent) könnte Sulík bauen. Doch ein gemeinsames Bündnis mit der betont slowakisch-nationalistischen SNS dürfte schwierig werden. Unverzichtbar für eine stabile Regierungsmehrheit ohne Ficos Smer-SD ist auch die neugegründete Partei „Wir sind Familie“ (Sme Rodina), die mit 6,6 Prozent ins Parlament einzieht. Parteigründer Boris Kollár lehnt zwar eine aktive Beteiligung am Regieren ab, der Besitzer der Rundfunkstation Funradio versprach aber die Unterstützung für die Regierung im Parlament. Der 50jährige Multimillionär, der laut Boulevardpresse Vater von neun Kindern mit acht verschiedenen Frauen ist, ein Haus in Florida hat und dem die linksliberalen Medien „Populismus“ und „Ausländerfeindlichkeit“ vorwerfen, könnte somit zum Zünglein an der Regierungswaage werden. Das Sme-Rodina-Programm wäre wohl kein Hinderungsgrund – es fordert eine bessere Förderung der Familien und den Kampf gegen Korruption und das Parteienkartell.

Fragile Fünf-Parteien-Koalition möglich?

Sollte die Fünf-Parteien-Koalition mit Kollár-Duldung zustande kommen, dürfte es für Sulík als möglichen Ministerpräsidenten dennoch nicht einfach werden, eine solch breite Koalition stabil zu halten. Viele der neuen Abgeordneten könnten völlig unberechenbar sein. Fico dürfte wohl genüßlich argumentieren, daß Sulíks parlamentarische Mehrheit durch Bestechungen gekauft sei. Auch daß die geschwächte Smer-SD und die rechte LSNS dann die einzigen Oppositionsparteien wären, ist ein nicht zu unterschätzendes Manko.

Und: Am 1. Juli übernimmt die Slowakei turnusgemäß von den Niederlanden die EU-Ratspräsidentschaft – was auch den außenpolitischen Druck auf die Regierungsbildung erhöhen dürfte. Fico und Sulík haben zwar wenig gemein, aber bezüglich der Asylkrise sind sie sich mit allen anderen Parlamentsparteien einig: Angela Merkel und ihre Verbündeten müssen das alleine schaffen. Die Slowakei wird keinesfalls Tausende moslemische Flüchtlinge aufnehmen.

Fico hat zwar den Mindestlohn von 327 auf 405 Euro erhöht, Studenten sowie Rentner dürfen die Bahn kostenlos und Pendler für die Hälfte benutzen, doch das Gesundheits- und Bildungswesen wurde vernachlässigt. Die Korruption grassiert – das waren die Hauptthemen im Wahlkampf, und das sind auch die schwierigsten Aufgaben der künftigen Regierung.