© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

Russisch Roulette in bunten Tütchen
„Legal Highs“: Drogenexperten warnen vor den lebensbedrohlichen Folgen des Konsums vermeintlich harmloser Kräutermischungen
Elena Hickman

Das Angebot klingt so unschuldig: „Eine Auszeit nehmen, um sich zu entspannen, wer wünscht sich das nicht? Wir helfen dir dabei, den Feierabend oder das Wochenende stimmungsvoll zu genießen!“ Die Sätze würden auch problemlos auf die Internetseite eines Wellnessbads passen. Tatsächlich stehen sie aber über dem Internetangebot des „Legal Highs Shop No.1“.

Sogenannte „Legal Highs“ werden als harmlose Badesalze oder Kräutermischungen angeboten, mit spaßigen Namen wie „Space Diamond“, „Bonzai Summer Boost“ oder „Dragonfire“. Sie können legal übers Internet bestellt werden und sind diskret verpackt. Doch in den Mischungen verbergen sich gefährliche Rauschmittel, die schon Menschen das Leben gekostet haben.

Die Päckchen bestehen in der Regel aus einem synthetischen Cannabinoid das für den Rausch sorgt und auf harmlose Kräuter aufgetragen ist. „Die Produkte werden durch bunte und flippige Verpackungen geschickt vermarktet“, sagt eine Sprecherin des Bundeskriminalamts der jungen freiheit. Aber der Inhalt der Päckchen sei häufig falsch oder unzureichend deklariert, wodurch es bei Konsumenten zu „teilweise schweren, mitunter lebensgefährlichen“ Vergiftungen gekommen sei. „‘Legal Highs’ sind deswegen gefährlich, weil zum Teil unbekannte Stoffe darin enthalten sind, die sich immer wieder verändern“, warnt auch die Geschäftsführerin der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen, Andrea Hardeling. 

Die Produzenten sitzen in China

Auch die konkrete Zusammensetzung der jeweiligen Produkte verändere sich laufend, sagt die Expertin, „und für den Konsumenten ist auch häufig die Dosierung und die Konzentration der Substanzen nicht bekannt“. Wer also beispielsweise einmal ein Päckchen „Space Diamond“ getestet hat, kann beim nächsten Tütchen der gleichen Sorte wieder völlig andere Erfahrungen machen.

 Bluthochdruck, Ohnmacht, Krämpfe, Halluzinationen, Blackouts – alles Reaktionen, die durch „Legal Highs“ hervorgerufen werden können, sagt Karsten Türgel-Linz von der Seite legal-highs-inhaltsstoffe.de. In schlimmen Fällen könne es sogar zu Herzanfällen, Hirninfarkten und akutem Nierenversagen kommen. In Schweinfurt wurde ein 14 Jahre alter Junge mit Kreislaufversagen ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem er eine Kräutermischung geraucht hatte; zwei Jungen im Alter von 13 und 16 Jahren fielen in Rendsburg nach dem Konsum in Ohnmacht; in Hannover vergifteten sich insgesamt 16 Menschen durch eine Mischung; bei einer 23jährigen Frau kam es zu lebensbedrohlichen Folgen – nur ein paar der Fälle, die seit Beginn dieses Jahres aufgetreten sind.

Doch das Problem mit den „Legal Highs“ gibt es schon länger. 2008 sei die sogenannte Kräutermischung „Spice“ auf den Markt gekommen, sagt die Sprecherin des BKA, und über das Internet als „legaler Marihuanaersatz“ und „Biodroge“ zum Kauf angeboten worden. Seit 2009 habe es allerdings einen enormen Anstieg gegeben, weiß Türgel-Linz, jedes Jahr kämen neue Substanzen hinzu: „Zur Zeit sind es 100 neue Substanzen pro Jahr in der EU.“ 

 Auch der Internationale Drogenkontrollrat der Vereinten Nationen (INCB) bestätigte in seinem Jahresbericht in der vergangenen Woche einen Anstieg der Substanzen. Die Mitgliedsstaaten des INCB haben demnach bis Oktober 2015 602 neue psychoaktive Substanzen gemeldet (darunter fallen auch die sogenannten „Legal Highs“) – im Vergleich zum Vorjahr sind demnach 388 neue Stoffe hinzugekommen.

Und genau darin liegt auch der Grund, weshalb die gefährlichen Drogen immer noch legal sind. „‘Legal Highs’“ können so schwer verboten werden, weil sich die darin enthaltenen Substanzen immer wieder verändern“, sagt Hardeling. Die Erfahrung habe gezeigt, „sobald eine Substanz in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen wurde, wird sie vom Hersteller leicht verändert und ist damit nicht mehr durch das Verbot abgedeckt“. Um dieses Katz-und-Maus-Spiel eines immer professioneller agierenden Markts zu beenden, werde derzeit an einem neuen Gesetz zum Verbot ganzer Stoffgruppen gearbeitet, verkündet das BKA.

 Obwohl „Legal Highs“ auch vereinzelt in sogenannten „Headshops“ zu finden sind, wird die größte Menge übers Internet verkauft. Die Versandfirmen befinden sich dabei häufig in den osteuropäischen Ländern. Ihre Wirkstoffe beziehen die Firmen jedoch aus Asien, wobei die meisten Produkte in China hergestellt werden, „und das geschieht nicht in irgendwelchen Hinterhoflaboren“, sagt Türgel-Linz, „sondern in richtigen Chemiefirmen“.

„Manche Päckchen enthalten eine bis zu fünffachen Konzentration“, sagt Tütgel-Linz der jungen freiheit und warnt gleichzeitig, die scheinbar harmlosen Mischungen zu unterschätzen: „Stellen Sie sich vor, Sie trinken abends ein Glas Wein und wissen dabei nicht, daß es die fünffache Konzentration enthält – sie landen wahrscheinlich mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus.“ Und doch bleibt „Anwendung durch erfahrene Nutzer wird empfohlen“ eine der wenigen Warnungen, die der „Legal Highs Shop No.1“ seinen Kunden mitgibt.