© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Der Spielzeughersteller Mattel hat eine lesbische Variante der Barbie-Puppe vorgestellt. Als Modell diente der amerikanische Fußballstar Abby Wambach, seit 2013 mit Sarah Huffman „verheiratet“. Mattel ließ mitteilen, daß man sich für dieses Vorgehen entschieden habe, weil für die Selbstfindung junger Mädchen nichts so geeignet sei wie Fußball.

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Gibt es in der heutigen Zeit ein vernichtenderes Urteil als „unumstritten“?

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Die Berichterstattung der FAZ über die AfD hat wahrscheinlich doch einen rationalen Kern: die Sorge davor, daß einem ein Lieblingsthema abhanden kommen könnte: das Dauerlamento über die Union, die dem konservativen Wähler keine Heimat mehr biete, weshalb der sich über kurz oder lang zur Gründung einer eigenen Partei gezwungen sehen werde.

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Man wüßte gern, ob Henryk M. Broder immer noch so enthusiastisch wie vor zehn Jahren jener Zukunft entgegensieht, in der es mit dem „arischen“ Europa vorbei sein wird (tageszeitung vom 14. Juli 2006).

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Das Bücherschreiben mit Schwangerschaft und Geburtsvorgang zu vergleichen, hat auch insofern seinen guten Grund, als man sich beim Abschluß immer fragt, was einen dazu bringt, diese Tortur hinzunehmen. Kaum ist das Kind dann in der Welt, sind die Wehen vergessen und man sinnt über das nächste nach.

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Der Mikroskandal an der Universität Leipzig, ausgelöst durch politisch inkorrekte Rezensionen im Bibliothekskatalog, findet seinen Höhepunkt wohl mit den Auslassungen einer Studentin, die wortreich beklagt, daß vor Büchern „rechter“ Autoren nicht ausreichend gewarnt werde, so daß der naive Entleiher sich möglicherweise mit deren Inhalt auseinandersetze. Selbstverständlich hat man von oben Verständnis signalisiert und Abhilfe versprochen. Der Einfachheit halber könnte auf ein erprobtes Verfahren zurückgegriffen werden, bei dem weiland gefährliche oder sonstwie mißliebige Autoren, deren Nennung aber unvermeidlich war, durch einen Asteriskus, ein Zeichen, gekennzeichnet waren.

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Die zunehmende Schärfe des politischen Tonfalls hat mit einer allgemeinen Veränderung des Meinungsklimas zu tun, und es bedarf keiner prophetischen Gabe, um vorauszusagen, daß die Entwicklung ihr Ende noch nicht erreicht hat. In manchem erinnert die Hysterie des Establishments an die ausgehenden sechziger, beginnenden siebziger Jahre, vor allem, was die hilflose Beschimpfung des Gegners betrifft. Neu ist dagegen der Mix aus Irritation und Abfälligkeit, mit dem über das Volk an sich gesprochen wird. Den erklärt der strukturlinke Widerwillen gegen die Tatsächlichkeit des gemeinen Mannes einerseits, das elitäre Gehabe andererseits, das gleichzeitig den „großen Lümmel“, die classes dangereuses – die „gefährlichen Klassen“ fürchtet, so wie im Vormärz, und am liebsten mit Karlsbader Beschlüssen, Demagogenverfolgung und dem Grundsatz reagieren würde, daß gegen Demokraten allweil nur Soldaten helfen.

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Der Vorstoß Gabriels zugunsten einer nationalen Präferenz ist halbherzig und kommt spät, wahrscheinlich zu spät. Man fühlt sich unweigerlich an die Schrift „Die Todesursachen der deutschen Sozialdemokratie“ erinnert, von Julius Leber, einem der führenden Köpfe der SPD, 1933 in der Haft verfaßt. Leber ging es darum, daß der Untergang der Weimarer Republik wie seiner Partei nicht einfach auf die Verschwörung der Reaktion oder einen Betriebsunfall der Demokratie zurückzuführen sei, sondern auf die Absage der Linken an das Vaterland.

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„Wir werden die multikulturelle Gesellschaft werden, die man rechts befürchtet hat. Und sie wird überhaupt nicht so aussehen, wie man sich links erhofft hat“ (Thomas Schmid, in: Die Welt vom 26. Februar 2000).

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Die Globalisierung ist kein neutraler Prozeß. Das gilt vor allem auf kulturellem Feld, und die Verteilung der Gewichte kann man auch daran erkennen, wie sich Hollywood erfolgreiche europäische Konzepte einverleibt. Die glaubt man jedenfalls nicht unfrisiert auf den amerikanischen Markt bringen zu können. Also übernimmt man den Plott, rekrutiert vielleicht auch den einen oder anderen Darsteller aus der alten Welt, modifiziert aber alles übrige in einer Weise, die ebenso bezeichnend wie entlarvend ist, weil sie das Typische rücksichtslos einebnet, abflacht und rundet.

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Bildungsbericht in loser Folge LXXXVI: Die Begründung des hessischen Kultusministers Ralph Alexander Lorz (CDU) für die Abstriche im Gymnasialbereich – Förderung von Inklusion, Brennpunktschulen, Ganztagsunterricht – zeigt, warum es eben doch so etwas wie Kontinuität in der deutschen Bildungspolitik gibt; die Roten treiben sie von links her, die Grünen sowieso und die Schwarzen eben auch.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 18. März in der JF-Ausgabe 12/16.