© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Überlebensfragen der EU
Migration: Mit Tageslimits wollen die Balkanstaaten die Zuwanderung regulieren
Michael Link

Es ist wichtig, den Flüchtlingsstrom entlang der Balkanroute zu stoppen.“ Kaum waren diese Worte der österreichischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf der Westbalkan-Konferenz vergangenen Mittwoch in Wien verhallt, forderte Slowenien sein Nachbarland  zur Beendigung der Grenzkontrollen auf. „Slowenien ist ein glaubwürdiger Schengen-Partnerstaat, und es gibt keinen Grund für die Aufrechterhaltung der Überwachung an der Binnengrenze mit Österreich“, sagte die slowenische Innenministerin Vesna Györkös Znidar beim EU-Innenministerrat am Donnerstag in Brüssel. Die Aufforderung sorgte insofern für Irritation, als sich die Innen- und Außenminister von Österreich und neun weiteren Teilnehmerstaaten darauf verständigt hatten, den Andrang der Flüchtlinge auf der Balkanroute zu beschränken.

Entsprechend einem gemeinsamen Maßnahmenpaket sollen die Voraussetzungen für den Grenzübertritt in den Ländern abgestimmt werden und nur noch „offenkundig schutzbedürftigen Personen“ die Einreise erlaubt werden. Die Kriterien für die Zurückweisung von Flüchtlingen und ihre Registrierung werden vereinheitlicht. Menschen mit gefälschten Dokumenten sollen direkt an der Grenze abgewiesen werden.

Griechenland war nicht zu der Westbalkan-Konferenz eingeladen, was für heftige Kritik aus der EU und Athen sowie für einen diplomatischen Eklat sorgte. Die griechische Botschafterin wurde aus Wien abgezogen, und tags darauf lehnte die Regierung in Athen einen Besuch der österreichischen Innenministerin in Griechenland ab.

„Wenn Griechenland immer wieder betont, daß es nicht möglich ist, die Außengrenze zu schützen, muß man sich fragen, ob dort letztlich auch die Schengen-Grenze sein kann“, begründete Mikl-Leitner die Nichteinladung Griechenlands. Auch später verteidigte die Innenministerin wiederholt die Initiative Österreichs und der Balkanstaaten in der Flüchtlingskrise zu einem strikteren Grenzmanagement. Die Westbalkan-Konferenz sei „der Anfang vom Ende des Durchwinkens“, so Mikl-Leitner, die sich ebenso wie der österreichische Außenminister Sebastian Kurz auch nicht mit Kritik an der deutschen Bundesregierung zurückhielt. „Ich glaube nicht, daß es uns in Europa an gemeinsamen Veranstaltungen mangelt, sondern es fehlt der Wille, den Flüchtlingsstrom deutlich zu reduzieren“, so Kurz. Griechenland habe bisher keine Bereitschaft gezeigt, den Flüchtlingsstrom zu reduzieren, sondern nur „ein Interesse, daß die Flüchtlinge möglichst schnell weiter transportiert“ würden.

Dessen ungeachtet spricht der griechische Vize-Innenminister Ioannis Mouzalas davon, daß im kommenden Monat die Zahl der Migranten auf 50.000 bis 70.000 steigen werde. Allein am Montag morgen kamen in der Hafenstadt Piräus rund 1.800 Migranten an. Zugleich spielten sich vor dem griechisch-mazedonischen Grenzübergang Idomeni chaotische Szenen ab: Hunderte Migranten stürmten die Bahntrasse, die beide Länder verbindet, rissen den Grenzzaun nieder und wurden von den Sicherheitskräften zurückgedrängt. 

Die Regierung in Skopje hatte bereits vor knapp zwei Wochen eine restriktive Grenzregelung beschlossen und gestattet täglich nur wenigen Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak die Weiterfahrt nach Mitteleuropa. Afghanen werden seitdem grundsätzlich nicht mehr nach Mazedonien gelassen. Auch bei Irakern und Syrern werden die Papiere schärfer kontrolliert. Neben Mazedonien legten auch Slowenien, Kroatien und Serbien Tageslimits in einer Größenordnung von wenigen hundert Migranten fest. Österreich beschloß eine Obergrenze von 80 Asylbewerbern pro Tag. Täglich sollen höchstens 3.200 Flüchtlinge nach Deutschland durchreisen. „Wir wollen eine Kettenreaktion der Vernunft“, erklärte dazu Mikl-Leitner und fügte hinzu: „Die Flüchtlingsfrage kann zu einer Überlebensfrage der EU werden.“