© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Tage des Zorns
SPD: Für Parteichef Sigmar Gabriel könnte es nach den Landtagswahlen am 13. März ungemütlich werden
Christian Schreiber

SPD-Chef Sigmar Gabriel gibt sich kämpferisch. Einen Rücktritt nach den Landtagswahlen am 13. März schließe er aus, sagte der oberste Genosse der Republik. „Warum sollte ein Bundesvorsitzender einer Partei nach Landtagswahlen zurücktreten? Wenn die CDU-Vorsitzende Angela Merkel immer zurückgetreten wäre, wenn die CDU eine Landtagswahl verloren hat, dann wäre sie schon lange nicht mehr Kanzlerin“, sagte er der Bild am Sonntag. 

Doch am kommenden Wochenende könnte die Debatte an neuer Schärfe gewinnen. Spätestens seit dem vergangenen Bundesparteitag, als Gabriel mit einem miesen Ergebnis für schlechte Umfragewerte abgestraft wurde, gilt der Niedersachse als angeschlagen. Und der 13. März könnte für die SPD in einem Desaster enden. In Sachsen-Anhalt liegt die Partei in Umfragen sogar hinter der AfD. Dabei wollte Spitzenkandidatin Katrin Budde ursprünglich die ungeliebte Rolle der Juniorpartnerin in einer Großen Koalition mit der CDU ablegen und gegen ein rot-rot-grünes Bündnis unter ihrer Führung austauschen.  Doch davon sind die Genossen in Magdeburg mittlerweile meilenweit entfernt. Da Budde ein „Thüringer Modell“ – sprich die Unterstützung eines Linken-Ministerpräsidenten – ausgeschlossen hat, sind die Machtoptionen für die SPD beschränkt. 

Genossen kritisieren Schlingerkurs

Es ist vor allem dieser strategische Schlingerkurs, den viele Parteimitglieder ihrem Vorsitzenden anlasten. In Thüringen winkte Gabriel die Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten durch, in Baden-Württemberg hätte er kein Problem damit, dem grünen Amtsinhaber Winfried Kretschmann eine weitere Amtszeit zu bescheren. Im Südwesten ist die Situation der SPD besonders dramatisch. Mit Umfrage-Werten zwischen 14 und 16 Prozent liegt die Partei nur noch knapp vor der AfD. Sollte die SPD in einem westdeutschen Bundesland sogar auf Rang vier abrutschen, seien Konsequenzen an der Parteispitze unausweichlich, heißt es in der Partei. Doch die Personaldecke ist dünn. In Baden-Württemberg bemüht sich der Parteilinke Nils Schmid äußerst unglücklich als stellvertretender Ministerpräsident. Und in Rheinland-Pfalz erbte Malu Dreyer einen skandalbelasteten Regierungssitz von Gabriels Vorgänger Kurt Beck. Die Verteidigung der Regierungsmehrheit in Mainz hat für die SPD dabei oberste Priorität. In den jüngsten Umfragen konnte die Partei etwas Boden gutmachen, was aber vor allem an dem uneinheitlichen Auftreten der CDU liegt. Der SPD-Chef glaubt ohnehin nicht, daß die Unterstützung von Merkels Flüchtlingspolitik seiner Partei im Wahlkampf schade. Eine stärkere Abgrenzung von der Bundeskanzlerin schloß Gabriel in der Bild am Sonntag aus: „Die SPD wird nicht die falschen Dinge sagen, um sich von Frau Merkel abzugrenzen.“

Die Situation für die ehemalige Arbeiterpartei ist grotesk. In Baden-Württemberg sagten zuletzt  65 Prozent  der Befragten, daß sie mit der Arbeit der SPD-Minister zufrieden seien. In Rheinland-Pfalz liegt Malu Dreyer bei den Sympathie-Werten immer noch deutlich vor ihrer Herausforderin Julia Klöckner. Doch der SPD fehlt es offenkundig am Marketing. Der grüne Ober-Realo Kretschmann heimst in Stuttgart die Arbeit der Landesregierung ein, stöhnen die Genossen. Dabei sei die wirtschaftliche Entwicklung in Baden-Württemberg hervorragend, aber SPD-Landeschef Schmid sei zu brav und bieder. Öffentlichkeitswirksame Talkshow-Auftritte des 42jährigen können an einer Hand abgezählt werden, sein Wahlkampf kommt nicht in Fahrt. „Wir müssen uns fragen, ob wir unsere Erfolge richtig verkaufen“, sagte die Ministerpräsidentin von Nord-rhein-Westfalen, Hannelore Kraft. Denn die Große Koalition in Berlin trage eine sozialdemokratische Handschrift. Mindestlohn, Mietpreisbremse, Frauenquote, Rente mit 63, Doppelpaß, Elterngeld  – auf dem Papier liest sich die Bilanz gut.  Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel erdrücke die SPD, so wie sie es zuvor bereits mit der FDP getan habe. 

Dabei hat die SPD auch strategische Fehler gemacht. In der Griechenland-Krise stand sie treu an der Seite der Kanzlerin, verwies auf ihr historisches Profil als Europapartei. An die Kleinverdiener an der Basis, die um ihr Erspartes fürchteten, dachten die Genossen in Berlin nicht. Und auch in der Flüchtlingsdebatte stärkte Gabriel der CDU-Vorsitzenden stets den Rücken. Daran ändert auch seine jüngste Forderung nach mehr Sozialleistungen für Deutsche wenig. „Ich finde, die SPD und der Vorsitzende Herr Gabriel machen sich damit klein“, hatte Merkel ihrem Vizechef daraufhin in der Fernsehsendung „Anne Will“ beschieden.

Das entscheidende Problem ist, daß der Partei auf Bundesebene eine realistische Machtoption fehlt. Daß sie 2017 stärker werde als die Union, glaubt innerhalb der SPD niemand. Für Rot-Grün dürfte es ebenfalls nicht reichen, und ein Bündnis mit der Linken ist auf Bundesebene bisher noch ein Tabu. Es sei denn, die Genossen ringen sich nach dem 13. März zum Putsch gegen den Parteichef durch. Arbeitsministerin Andrea Nahles, Justizminister Heiko Maas und Parteivize Ralf Stegner werden solche Gedanken jedenfalls nachgesagt.