© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/16 / 26. Februar 2016

Der Immobilienboom geht weiter, aber nicht überall
Frühjahrsgutachten: Die meisten Deutschen können sich über stabile Mieten freuen, nur in den beliebten Städten wird es eng – und teuer
Ronald Gläser

Setzt der Immobilienmarkt zu einer sanften Landung an? Seit 2009 steigen die Immobilienpreise und mit ihnen die Mieten in Deutschland von einem Rekordhoch zum nächsten. Doch 2015 könnte die Trendwende eingesetzt haben: Während in Westdeutschland nur noch eine Stagnation der Angebotsmieten registriert wird, sind die Mieten in Mitteldeutschland sogar leicht rückläufig.

Das besagt das Frühjahrsgutachten „Immobilienwirtschaft 2016“. „Die Mietpreisanstiege haben in ganz Deutschland an Schwung verloren“, sagt Mitautor Harald Simons. Für begehrte Städte gilt dies allerdings nicht. Hier gab es auch 2015 einen erheblichen Anstieg zu verzeichnen: München (plus 7,4 Prozent), Stuttgart (6,8 Prozent), Berlin (4,4 Prozent), Frankfurt (3,8 Prozent) und Düsseldorf und Köln mit jeweils drei Prozent.

Die teuerste Region ist der Großraum München

Bei den Kaufpreisen geht es nach wie vor aufwärts. Im Westen zogen die Preise um 7,2 Prozent an, in den östlichen Ländern (ohne Berlin) um 6,2 Prozent. Auch hier gibt es wieder starke regionale Unterschiede: In 23 Prozent der Kreise sanken die Preise sogar, während sie in der Hälfte um mehr als sechs Prozent stiegen. Es besteht ein Süd-Nord- und West-Ost-Gefälle, wobei die teuerste Region der Großraum München ist. Hier haben die Durchschnittspreise pro Quadratmeter auch außerhalb der Stadt längst die 2.000-Euro-Grenze überschritten.

Es gibt mehrere Ursachen dafür: Zum einen verteuert der Staat vor allem mit seinen Ökovorgaben wie der Energieeinsparverordnung das Bauen massiv. Zum anderen steigert die Eurorettung die Nachfrage. Anleger schichten wegen der Niedrigzinsen ihre Vermögen in Betongold um. Ausländische Sparer aus Euro-Wackelkandidaten wie Griechenland oder Italien kommen hinzu, weil sie ihr Geld vor einem möglichen Austritt ihres Landes zu sichern versuchen. Bisherige Mieter nutzen die niedrigen Zinsen, um sich den Traum vom eigenen Haus verwirklichen. Alles zusammen trieb bislang die Preise.

Bei gleichzeitig sinkenden oder stagnierenden Mieten reduziert sich automatisch die Rendite. Noch vor wenigen Jahren wäre eine Investition in ein Objekt, das nur fünf Prozent einbringt, als suboptimal angesehen worden. Das ist längst vorbei. 

In der jüngsten Studie der Wirtschaftswoche (6/16) ist fünf Prozent der Traumwert, der nur noch in drei Metropolen überhaupt erreicht wird – und zwar in Leipzig (5,7), Dortmund (5,4) und Essen (5,0). In mittelgroßen Städten des Ruhrgebiets wie Gelsenkirchen (5,8) sind noch bessere Ergebnisse drin, aber wer mag schon in Regionen auf dem absteigenden Ast investieren? In den Großsstädten (ab 500.000) rät die Wirtschaftswoche potentiellen Immobilienkäufern inzwischen in neun von vierzehn Fällen zum Mieten statt Kaufen. Jetzt noch einzusteigen lohne sich nicht mehr. Angesichts der Mietpreisbremse und der reduzierten Wachstumschancen müssen sich Besitzer sogar die Frage stellen, ob sie nicht Kasse machen wollen.

Der Kaufmarkt läuft den Mieten in der Regel zwei bis drei Jahre hinterher. Es spricht einiges dafür, daß die Kaufpreise nicht mehr so schnell weitersteigen wie bisher. Fazit: Deutschland steht nicht vor dem Platzen einer Immobilienblase wie die USA oder Spanien 2007. Dazu sind die Preise im internationalen Vergleich bei uns nach wie vor viel zu niedrig. Aber der Anstieg der vergangenen Jahre könnte sich dem Ende neigen. Einzig der Asylzustrom könnte die Immobilienpreise oben halten. Dies wird in den nächsten Jahren aber vorwiegend Objekte im Niedrigpreissegment in Ballungszentren betreffen.

Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2016. Zentraler Immobilienausschuß, Berlin 2016, 256 Seiten, Taschenbuch, 129 Euro