© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/16 / 26. Februar 2016

Boris Johnson wirft seinen Hut in den Ring
Großbritannien: Cameron kann seinen Sieg in Brüssel nur kurz auskosten, denn selbst Parteifreunde verweigern ihm beim Thema Brexit die Gefolgschaft
Josef Hämmerling

Der Kampf um den Verbleib Großbritanniens in der EU geht in die nächste Runde. Zwar konnte der britische Premier David Cameron Ende  vergangene Woche einige Ausnahmeregelungen für sein Land aushandeln, doch ist das Lager der Ausstiegswilligen nun um einen prominenten Vertreter reicher geworden. Der konservative Bürgermeister Londons, Boris Johnson, warf seinen Hut in den Ring. „Ich werde für den Austritt werben, weil ich ein besseres Ergebnis für die Menschen dieses Landes will, um ihnen Geld zu ersparen und Kontrolle wiederzuerlangen“, erklärte der 51jährige. Die EU drohe der demokratischen Kontrolle zu entgleiten. Auch handele es sich bei den jetzigen Sonderregelungen nicht um eine „grundlegende Reform“ der EU oder der britischen Beziehungen zur EU.

Austritt aus der EU? Noch sind die Briten gespalten

Johnson gilt als sehr einflußreich in der Konservativen Partei und ist einer der Hauptanwärter für die Nachfolge Camerons. Unterstützung erhielt Johnson von sechs Ministern der Regierung, darunter auch Justizminister Michael Gove. „Ich glaube, unser Land wäre freier, fairer und besser dran außerhalb der EU“, so Gove auf seiner Facebook-Seite. Ukip-Chef Nigel Farage rief die Briten per Twitter ebenfalls dazu auf, beim Referendum am 23. Juni für den Austritt aus der EU zu stimmen.

Unterstützung bekommt Cameron von der drittstärksten Kraft im britischen Parlament, der Scottish National Party. Nach Ansicht der Parteivorsitzenden Nicola Sturgeon, die gleichzeitig auch schottische Ministerpräsidentin ist, wäre die Abspaltung Schottlands wohl unvermeidlich, sofern die schottischen Bürger für die EU stimmen sollten. Und davon gehe sie aus. Zwar fordert Sturgeon nach wie vor die Loslösung Schottlands vom Rest Großbritanniens, befürwortet aber den Verbleib des ganzen Inselreichs in der Europäischen Union. Ihre Ansicht teilt der Historiker Timothy Garton Ash. Der Austritt Großbritanniens könne nicht nur das Ende der EU einläuten, sondern auch das Ende des Vereinten Königreichs. Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn warf Cameron vor, das Referendum nur aus parteitaktischen Gründen abzuhalten. Seine Verhandlungen in Brüssel seien lediglich eine „theatralische Sideshow, mit dem Ziel, seine Gegner in der Konservativen Partei zu beruhigen“, so Corbyn laut dpa-AFX. 

Derzeit noch gespalten sind die Bürger Großbritanniens. Laut einer Umfrage von Daily Mail sind 48 Prozent der Befragten gegen einen Brexit, also gegen den Ausstieg Großbritanniens aus der EU, und nur 33 Prozent dafür. 19 Prozent zeigten sich unentschieden. Zu anderen Ergebnissen kommt die Financial Times, die mehrere Umfragen auswertete. Danach sprachen sich 43 Prozent der Befragten für einen Verbleib in der EU aus, 40 Prozent dagegen, während 17 Prozent noch unentschlossen seien. 

Cameron hatte am Wochenende in Brüssel mehrere Sonderregelungen für den Verbleib seines Landes in der EU ausgehandelt: so etwa volle Sozialleistungen für EU-Zuwanderer erst nach vier Jahren. Dies gilt bis 2023. Auch darf das Kindergeld demnächst nach dem Aufenthaltsland gestaffelt werden. Bis 2020 gilt das nur für Zuwanderer, danach für alle Arbeitnehmer aus der EU. Zwar bleibt die generelle Bankenaufsicht in der EU-Zone bei der EU, Großbritannien darf seine Banken und den heimischen Finanzmarkt aber selbst überwachen.