© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Knapp daneben
Der schlanke Staat muß kein Traum bleiben
Karl Heinzen

Sechs Jahre lang ist es dem spanischen Kommunalbeamten Joaqín García gelungen, dem Arbeitsplatz fernzubleiben, ohne daß dies irgend jemand bemerkte. Erst als man ihn 2010 anläßlich eines Dienstjubiläums ehren wollte und nicht im Büro antraf, flog der Coup auf. Nun hat die Stadt Cádiz als sein ehemaliger Arbeitgeber vor Gericht die Rückzahlung eines Nettojahresgehaltes erwirkt. Eigentlich müßte García dies als eine faire Lösung ansehen, wird doch an der Bezahlung von fünf weiteren Jahren Schwänzen nicht gerüttelt. Er wendet jedoch ein, daß man ihn aus der Stadtverwaltung auf einen Posten bei den Wasserwerken weggemobbt habe, auf dem es eben nichts zu tun gab. Dies erscheint plausibel, denn ansonsten hätte er nicht blaumachen können, ohne durch unerledigte Arbeit aufzufallen. Im übrigen beteuert er, in den sechs Jahren keineswegs untätig gewesen zu sein, sondern daheim intensive philosophische Studien betrieben zu haben.

Gäbe es mehr Beamte mit der Courage, ließe sich in beiderseitigem Interesse etwas vereinbaren.

Der Bildungshorizont der allermeisten Beamten ist leider zu gering, um in die Fußstapfen von Joaqín García treten zu können. Blieben sie der Arbeit fern, griffen sie kaum nach Hegel und Nietzsche, sondern wüßten nichts mit ihrer Zeit anzufangen. Sie würden sich langweilen, in Depressionen verfallen und ihren Mitmenschen auf die Nerven gehen. Da sie das wissen, bleiben sie lieber freiwillig an ihrem „Arbeitsplatz“, an dem sie gar nicht gebraucht werden. Das ist für unsere Gesellschaft und ihren Traum von einem schlanken Staat bedauerlich. Gäbe es mehr Beamte mit der Courage, dem Lebenshunger und der intellektuellen Neugier eines Joaqín García, könnte man mit ihnen eine simple Vereinbarung in beiderseitigem Interesse treffen: Ihr müßt nicht länger Geschäftigkeit vortäuschen und den Bürgern mit irgendwelchen verrückten Verwaltungsakten Steine in den Weg legen, und dafür dürft ihr ab sofort zu Hause bleiben. Über die Höhe des Gehaltsabzugs mag es Gerangel geben. Doch hier läge ein Kompromiß auf der Hand. Als Kompensation für finanzielle Einbußen könnte zugestanden werden, ein Arbeitszimmer für das Home Office steuerlich geltend zu machen.