© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Grauer Wolf des Ersten Weltkriegs
Vor 75 Jahren starb die deutsche U-Boot-Legende Arnauld de la Perière
Wolfgang Kaufmann

Am 30. Januar 1941 stürzte auf dem Pariser Flughafen Le Bourget eine einmotorige Junkers W 34 beim Start zu Boden und ging in Flammen auf. Mit an Bord der Unglücksmaschine war Konteradmiral Lothar von Arnauld de la Perière, der Marinebefehlshaber von Westfrankreich, welcher sich auf dem Wege nach Berlin befand, wo er zum Vizeadmiral befördert und zum Admiral Südost mit Sitz in Sofia ernannt werden sollte. 

Arnauld de la Perière überlebte die Katastrophe zunächst, erlag dann aber am 24. Februar seinen schweren Verletzungen. Hierdurch verlor die Kriegsmarine den weltweit erfolgreichsten U-Boot-Fahrer aller Zeiten: Als Kommandant von U 35 und U 139 hatte „Lothar von der Pier“, wie man ihn allerorten salopp nannte, zwischen dem 17. Januar 1916 und dem 14. Oktober 1918 bemerkenswerte 194 Handelsschiffe mit insgesamt 453.716 Bruttoregistertonnen versenkt. Das machte immerhin ein Fünfundzwanzigstel der vernichteten gegnerischen Tonnage im Ersten Weltkrieg aus – bei einem Bestand von 320 Frontbooten.

Lothar von Arnauld de la Perière, der am 18. März 1886 in Posen geboren worden war, gehörte zu den Nachkommen des französischen Hugenotten Jean-Gabriel Arnauld, Seigneur de la Perière. Dieser mußte 1757 wegen eines Duells nach Preußen fliehen, wo er später bis zum General avancierte. Und auch sein Urenkel entschied sich für die Militärlaufbahn und trat im April 1903 als Kadett in die Kaiserliche Marine ein.

Nach Abschluß der Seeoffiziersausbildung diente der junge Arnauld de la Perière zunächst auf den Linienschiffen „Kurfürst Friedrich Wilhelm“, „Schlesien“ und „Schleswig-Holstein“ sowie dem Kleinen Kreuzer „Emden“ und dem Torpedoboot „V 155“. Dann wurde er Adjutant beim Chef des Admiralstabs in Berlin, meldete sich aber sofort nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu den Marinefliegern, von denen er im April 1915 zur U-Bootwaffe wechselte. Diese hatte nämlich inzwischen ungeheuer an Anziehungskraft gewonnen, weil den deutschen U-Booten schon diverse spektakuläre Erfolge gelungen waren wie die Versenkung der drei britischen Panzerkreuzer „Aboukir“, „Cressy“ und „Hogue“ vor Hoek van Holland am 22. September 1914.

De la Perières Hauptrevier war das Mittelmeer

Während seines Kommandantenlehrgangs fuhr Arnauld de la Perière auf den Schulbooten U 1 und U 3 und erhielt im Anschluß das Zweihüllen-Hochseeboot U 35, welches im österreichisch-ungarischen Adriahafen Cattaro lag und zur U-Flottille Pola gehörte. Deren Auftrag bestand darin, Schiffe der Entente und dann ab Sommer 1916 auch italienische Einheiten im westlichen Mittelmeerraum anzugreifen. Hierzu mußten die Jäger freilich jedesmal die heimtückischen Minen- und Netzsperren in der Straße von Otranto zwischen Italien und Albanien überwinden – danach stand ihnen jedoch ein Revier voller Beute zur Verfügung.

Dabei verliefen die Feindfahrten im Mittelmeer deutlich anders als im Atlantik und den deutscherseits ausgewiesenen Blockadegebieten rund um die britischen Inseln: Während man dort den Handelskrieg bereits seit Anfang 1915 sukzessive verschärft hatte und dann schließlich ab dem 1. Februar 1917 ohne jede Vorwarnung angriff und gegnerische sowie auch neutrale Schiffe versenkte, also einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg führte, wurde im Mittelmeer zumeist weiter nach der traditionellen Prisenordnung verfahren. 

Das heißt, die U-Boote stoppten die Frachter – notfalls durch einen Schuß vor den Bug – und entsandten sodann speziell ausgebildete Kommandos, welche die Ladung inspizierten; anschließend trafen die Kommandanten die Entscheidung, ob sich tatsächlich Bannware, die an den Feind gehen sollte, an Bord befand. Nur in diesem Falle durften die Handelsschiffe an Ort und Stelle versenkt werden, allerdings erst, nachdem dafür gesorgt worden war, daß deren Besatzungen sich retten konnten.

Eine derart ritterliche Kampfführung praktizierte auch der nunmehrige Kapitänleutnant Arnauld de la Perière. Und trotzdem erzielte er während seiner 15 Unternehmungen mit U 35 derart beeindruckende Erfolge, daß er bereits nach neun Monaten als Kommandant den Orden Pour le Mérite erhielt. Hiermit erfuhr besonders die sechste Feindfahrt vom 26. Juli bis zum 20. August 1916 ihre Würdigung. Im Verlaufe dieser Unternehmung konnte Arnauld de la Perière 54 Schiffe mit 90.350 BRT auf den Meeresgrund schicken, davon allein am 14. August elf – niemals in der Seekriegsgeschichte gelang einem anderen U-Boot-Kommandanten ein vergleichbares Bravourstück. Dabei wurden die Frachter fast immer mit Sprengladungen oder den drei Decksgeschützen von U 35 versenkt. Aus diesem Grunde geht das Gerücht, daß „Lothar von der Pier“ während seiner gesamten Karriere nur ganze vier Torpedos abgefeuert habe, was aber wohl nicht den Tatsachen entspricht.

Im Mai 1918 bekam die nunmehrige U-Boot-Legende das Kommando über den großen Unterseekreuzer U 139, der dann bereits nach der ersten Fahrt anläßlich des Kriegsendes an Frankreich ausgeliefert werden mußte. Kurz darauf stand Arnauld de la Perière an der Spitze eines Sturmbataillons in der 3. Marinebrigade, welche Aufstände in Oberschlesien und dem Ruhrgebiet niederschlug. Dem folgte die Übernahme in die neue Reichsmarine der Weimarer Republik. In dieser stieg der Pour-le-Mérite-Träger noch zum Kommandanten des Kreuzers „Emden“ sowie zum Vorsitzenden des Erprobungsausschusses für Schiffsneubauten auf.  

Am 30. September 1931 wurde Ar-nauld de la Perière als Kapitän zur See in den Ruhestand verabschiedet, wonach er an der türkischen Marineakademie in Istanbul dozierte. Allerdings nur bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Reaktivierung sowie Beförderung zum Konteradmiral „zur Verfügung“. Als solcher war er dann nacheinander Marinebefehlshaber von Danzig, Belgien und den Niederlanden, der Bretagne und zum Schluß auch noch von ganz Westfrankreich.

Nach seinem Unfalltod erhielt Lothar von Arnauld de la Perière ein repräsentatives Ehrengrab auf dem Berliner Invalidenfriedhof. Dieses gehört zu den wenigen, welche die „antifaschistische“ Bilderstürmerei im Ost-Berliner Mauerstreifen nach 1945 überstanden haben und noch heute existieren.