© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Affinitäten zur Konservativen Revolution: Der Romanist Ernst Robert Curtius
Ein europäischer Kulturbürger
(wm)

Vielen Wissenschaftshistorikern gilt Ernst Robert Curtius (1886–1956) als einer der bedeutendsten Romanisten des 20. Jahrhunderts, der als Repräsentant seines Faches eine ähnliche Stellung einnimmt wie Martin Heideg-ger für die Philosophie oder Carl Schmitt für die Staatsrechtslehre. Aber anders als bei diesen zeitweise mit dem Nationalsozialismus sympathisierenden Generationsgenossen, deshalb gern mit dem Denunziationsadjektiv „umstritten“ bedacht, läßt sich aus Curtius’ Biographie kein Fall für Zwecke der Vergangenheitsbewältigung machen. Denn der Bonner Ordinarius zog sich zwischen 1933 und 1945 in die Innere Emigration zurück, um die Bildungsbestände der „überzeitlichen Tradition des europäischen Geistes“ zu bewahren. Eine Position, die der „kulturelitäre Großbürger“, der Hindenburg-Wähler mit „Affinitäten zur Konservativen Revolution“, wie ihn der Berliner Romanist Wolfgang Asholt nennt (Geschichte der Germanistik, 47/48-2015), auch nach 1918 als geistiger Mittler zwischen Deutschland und Frankreich eingenommen hatte. Trotzdem sei Curtius kein nationalistischer Kulturideologe oder gar „Beförderer des Faschismus“ gewesen, wie Neomarxisten behaupteten, sondern habe sich stets überzeugt gezeigt von der Möglichkeit eines Übergangs, womöglich der Überwindung der nationalen in einer europäischen Kultur. 


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