© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Behördliche Gewinnausfälle
Crashgefahr: Die Deutsche Bank war bislang stolz darauf, keine Steuerzahlerhilfen zu benötigen – aber im schlimmsten Fall stände der Staat mit Garantien bereit
Thomas Kirchner

Seit 1974 steht das Schrägstrich-Logo der Deutschen Bank (DB) laut Werbung „für kontinuierliches Wachstum und eine dynamische Entwicklung, das umrahmende Quadrat für Sicherheit und ein kontrolliertes Umfeld“. Doch seit 2008 geht es bergab: Der Aktienkurs fiel von über 100 auf aktuell 15 Euro.

Das größte deutsche Kreditinstitut muß derzeit einen Giftcocktail schlucken. Bislang zwölf Milliarden an Strafen haben die Eigenkapitaldecke ausgehöhlt, hohe Kosten wegen immer komplizierteren Vorschriften verhindern die Schaffung neuer Kapitalpolster. Und nun versetzen negative Zinsen der Bank den Todesstoß. Für ein paar Jahre wird die Bank keine Gewinne erwirtschaften.

Nach der Finanzkrise zwangen neue Vorschriften die Banken, hybride Anleihen einzuführen, die weder klassische Rentenpapiere noch Aktien sind. Im Fall einer Bankenpleite müssen diese Contingent Convertibles (Cocos) Verluste hinnehmen. Ihre Zinsen fallen schon aus, wenn die Bank keine Gewinne macht, nicht nur bei einer Pleite. Damit soll das Kapital der Banken gestärkt werden, so die Theorie der Aufseher. Wie sich jetzt aber zeigt sind diese neuen Instrumente Brandbeschleuniger. Sobald Banken kurzfristige Gewinneinbußen haben, besteht das Risiko, daß sie keine Zinsen für Cocos zahlen dürfen. Hätte früher nur der Aktienkurs gelitten, bricht nun der Markt der Hybridinstrumente angesichts der schlechten DB-Gewinnlagen drastisch ein. Die Kursverluste wiederum verunsichern klassische Anleihenanleger – ein Ansteckungseffekt, den die Finanzaufseher in ihrer Regulierungswut nicht vorhersehen konnten. Man wird sich dauerhaft auf höhere Volatilität in der Bonität der Kreditinstitute einstellen müssen. Zwölfjährige Coco-Anleihen der DB rentieren inzwischen bei sechs bis sieben Prozent. Anleger befürchten, die DB dürfe die im April fälligen 350 Millionen Zinsen auf Hybridanleihen nicht zahlen. Kein Wunder also, daß Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Krisenniveau hochschnellen und die Kurse der Anleihen um 25 Prozent nachgegeben haben. Die DB-Aktie hat sich seit Oktober halbiert.

Die Verwirrung um den möglichen Zahlungsausfall ist so groß, daß sogar Finanzminister Wolfgang Schäuble intervenierte. Doch es geht nicht um Verluste oder Insolvenz, sondern lediglich Gewinnausfälle. Deshalb wird die DB keine staatliche Rettung brauchen. Aufgrund der exzessiven Kapitalanforderungen muß das Institut seine Risiken zurückfahren, was weniger Kreditvergabe bedeutet. Das wird den von Banken nach wie vor abhängigen Mittelstand treffen. Im schlimmsten Fall müßte der Staat mit Garantien einstehen, wenn das Kapital unter das von den Behörden etwas willkürlich festgelegte Minimum fällt.

Schon geraten andere Institute unter die Lupe der Anleger, so daß diese kleine Panik sich zu einer des europäischen Bankensystems ausweiten könnte. Italien verkündete schon die Gründung einer „Bad Bank“. Die DB-Krise ist die erste Auswirkung der extremen Regulierungswut, mit der die Finanzbranche nach 2008 gebändigt werden sollte. Es wird nicht die einzige Nebenwirkung bleiben.