© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Die letzte Patrone als Rohrkrepierer
Frankreich: Präsident Hollande in Not
Jürgen Liminski

Eigentlich sind Regierungsumbildungen in Frankreich ein probates Mittel, um einer erlahmten Politik neuen Schwung zu geben. Aber die neue Regierung Manuel Valls, Präsident François Hollandes letzte Patrone, droht zum Rohrkrepierer zu werden. Zwar hat der Sozialist die Grünen mit drei Ministern an den Regierungstisch zurückgeholt, aber zwei dieser Minister hatten mit ihrer Partei bereits gebrochen, und die Nummer drei, die frühere Parteichefin Emmanuelle Cosse, erklärte bereits am ersten Tag, daß sie – ähnlich wie die zurückgetretene Justizministerin Christiane Taubira – gegen den Gesetzentwurf zur Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft bei terroristischen Verbrechen stimmen wird. 

Streit auch bei den Bürgerlich-Konservativen 

Auch ist sie gegen den Ausbau des Flughafens in Nantes, ein hoch umstrittenes Projekt wie seinerzeit Stuttgart 21. Ein anderer neuer Minister, Jean-Michel Baylet, sprach sich erneut für die Legalisierung des Cannabis-Konsums aus, was die erste Regierung Valls bereits vom Tisch gewischt hatte. Und zwischen Valls selbst und seinem neuen Außenminister und früheren Premierminister Jean-Marc Ayrault bahnt sich ebenfalls ein Krach an. Ayrault soll eigentlich den deutsch-französischen Motor wieder anlaufen lassen. Aber Valls hat auf der Sicherheitskonferenz in München offen erklärt, daß die Verteilung von Flüchtlingen in Europa ohne Frankreich stattfinden werde. Für Ayrault eine ziemlich unbequeme Position.

Der Effekt der Regierungsumbildung ist also verpufft, noch bevor die Mannschaft zu ihrer ersten Kabinettssitzung zusammenkam. Für die Franzosen ist unklar, warum es überhaupt zu einer derart theatralisch inszenierten Regierungsumbildung kam. 

73 Prozent aller Franzosen halten sie für überflüssig und sinnlos. Wenn Valls seine Mannschaft nicht disziplinieren kann, dürfte die Ablehnung noch weiter zunehmen. Nach Ansicht der meisten Kommentatoren diente die Umbildung der Regierung einzig dem Zweck, das linke Lager hinter Hollande zu sammeln. Aber noch am Abend der Verkündung der neuen Mannschaft gab der Chef der Linkspartei und Europa-Abgeordnete Jean-Luc Mélenchon seine Kandidatur bekannt und bezeichnete die Vorwahlen als Theaterstück, in dem er nicht mitspielen wolle.

Während das linke Lager sich öffentlich auseinanderstreitet, hat auch das bürgerlich-konservative Lager Mühe, seinen Streit unter der Decke zu halten. Am Sonntag meldete sich ein neuer Kandidat, der frühere Parteichef Jean-François Copé, für die Vorwahlen an und erhöhte damit die Zahl der Kandidaten auf fünf. Die besten Umfragewerte von ihnen hat bislang der ehemalige Premierminister Alain Juppé, den man links der Mitte einordnen kann. Immer besser ins Rennen kommt aber auch Ex-Premier François Fillon, der einzige, der bisher ein kohärentes Programm aufweist.

Die Vorwahlen sollen im November abgehalten werden. Wer immer von den Kandidaten für das bürgerliche Lager ins Rennen geht – vermutlich gegen Hollande –, er hat gute Aussichten, im Mai 2017 der nächste Präsident zu werden. In der Stichwahl wird er auf die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, stoßen, die diese nach den Umfragen auf jeden Fall erreichen wird. Nach diesen Umfragen hätte Le Pen eine Chance, diese Wahl zu gewinnen, wenn ihr Gegner Hollande hieße. Das ist unwahrscheinlich. Deshalb arbeitet sie an einem neuen Programm, das ihr erlaubt, in die bürgerliche Mitte vorzustoßen. Denn sie rechnet mit Juppé als Gegner.