© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Waffe, Reliquie, Kleinod
Das Klingenmuseum in Solingen zeigt eine sehenswerte Schwerter-Ausstellung
Karlheinz Weißmann

Xiphos“ war die Bezeichnung für das zweischneidige Schwert der antiken Hopliten, also der Angehörigen altgriechischer Fußtruppen, einer Art Eliteinfanterie, die in einer geschlossenen Formation kämpfte. Das Wort kann abgeleitet werden vom griechischen „xi“ für „durchgehen, durchdringen“ und „phos“ für „Licht“. „Xiphos“ könnte also poetisch übersetzt werden mit „Klinge des durchdringenden Lichtes“. Das schlagen jedenfalls die Organisatoren einer bemerkenswerten Schwerter-Ausstellung des Deutschen Klingenmuseums in Solingen vor, und sie haben den Begriff auch als Titel eines Projekts gewählt, bei dem fünf ausgezeichnete Schmiede der Gegenwart – die Deutschen Ralf Hoffmann und Sabine Piper, der Tscheche Petr Florianek, der Norweger Peter Johnsson und der Kanadier Jake Powning – aufgefordert wurden, ein ideales Schwert zu schaffen.

Die Variationsbreite der Ergebnisse ist erheblich und reicht von einer sehr zerbrechlichen Fantasy-Waffe (Hoffmann/Piper) über zwei Modelle, die an altnordischen Vorbildern ausgerichtet wurden (Florianek/Johnsson), bis zu einem Exemplar, das an die ersten, noch aus Bronze hergestellten Schwerter der Vorgeschichte erinnert (Powning).

Es wäre in jedem Fall verfehlt, diese Arbeiten als Spielereien abzutun. Sicher hat die Entwicklung der Reenactment-Szene in den vergangenen Jahrzehnten den Kreis der Interessenten an solchen Stücken sehr erweitert. Aber die Ernsthaftigkeit, mit der die Schmiede versuchen, den Geheimnissen ihrer Vorgänger auf die Spur zu kommen, sich in die Mentalität früherer Epochen einzufühlen und die Regeln des Schwertkampfes zu rekonstruieren, hat doch nichts mehr mit einem Hobby oder Dilettantismus zu tun.

Bedeutung als Rang- oder Herrschaftsabzeichen

Diese Feststellung gilt vor allem für Johnsson, dem wir umfassende Untersuchungen zur Geometrie des mittelalterlichen Schwertes einerseits, zu dessen Führung andererseits verdanken. Dabei hat sich herausgestellt, daß die landläufige Vorstellung, man sei mit Schwertern ungeregelt aufeinander losgegangen und habe lediglich versucht, den Feind in Stücke zu hacken, falsch ist. Zur optimalen Nutzung einer gut gefertigten, ausgewogenen und auf ihren Zweck abgestimmten Waffe brauchte der Fechter zwar immer noch ein erhebliches Maß an Körperkraft und Ausdauer, aber auch Beweglichkeit, Geschick, das Wissen um die Stärken und Schwächen seiner Klinge und Erfahrung.

Die konnte man nur durch ausdauerndes Training erwerben, was erklärt, warum die Verwendung des Schwertes als Hauptwaffe regelmäßig mit der Entstehung einer Kriegerklasse einherging, deren Privilegien eine notwendige Voraussetzung dafür waren, um in Übung zu bleiben. Die Ausstellung in Solingen macht diesen Zusammenhang unter verschiedenen Aspekten deutlich. Etwa im Hinblick auf den außerordentlichen materiellen Wert, den „Markenschwerter“ besaßen – zum Beispiel solche, die zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert unter der Bezeichnung „Ulfberht“ gehandelt wurden –, dann in bezug auf das Prestige, das der Besitz eines besonderen – oft mit einem eigenen Namen versehenen – Schwertes für den Träger bedeutete. Der Schritt von hier zur Vorstellung, daß dem Schwert eine besondere, magische oder religiöse, Macht innewohne, die den Träger unschlagbar machte, war nicht weit und erklärt zuletzt auch die Menge an Mythen, die sich mit Schwertern befaßten, von Siegfrieds Balmung bis Arthurs Excalibur.

Man ist damit schon ganz in der Welt des mittelalterlichen Rittertums, die für die Ausstellung in Solingen selbstverständlich zentrale Bedeutung hat. Gleich zu Beginn wird dem Besucher das sogenannte „Schwert des Heiligen Georg“ präsentiert, mit dem er den Drachen erschlagen haben soll. Tatsächlich weist die Klinge Gebrauchsspuren auf und wurde offenbar mehrfach nachgeschärft.

Wichtiger als das war aber die Vorstellung, daß sie bei der Heldentat schlechthin verwendet wurde, dann die Vorbildfunktion, die der Ritterheilige für die Frömmigkeit und das Selbstverständnis des Adels gewann. Ohne Zweifel war ein Schwert als Reliquie ungewöhnlich, wenngleich die Kreuzform der Waffe eine besondere Bedeutung in der Symbolik des „miles christianus“ – des „christlichen Kriegers“ – erhielt und etwas davon erklärt, warum es noch lange nach dem Untergang des europäischen Rittertums und dem Ende der praktischen Verwendbarkeit des Schwertes seine Bedeutung als Rang- oder Herrschaftszeichen behielt.

In Deutschland ist diese Tradition zwar seit 1945 und endgültig seit 1990 (die Nationale Volksarmee der DDR kannte noch den Offizierssäbel) abgerissen, aber ansonsten kennen praktisch alle Streitkräfte der Welt die Auszeichnung durch eine Blankwaffe, deren Urform das Schwert war.

Die Ausstellung „Das Schwert – Gestalt und Gedanke“ ist noch bis zum 28. Februar im Deutschen Klingenmuseum Solingen, Klosterhof 4, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, freitags ab 14 Uhr, zu sehen. Telefon: 02 12 / 2 58 36-0.

Es ist ein Begleitband und Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen (kart., 192 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 49 Euro). Empfehlenswert ist auch ein Besuch der umfangreichen und in ihrer Art einmaligen Dauerausstellung.

 www.klingenmuseum.de