© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Studien und Gegenstudien
Heimische Rohstoffe: Die Förderung von Schiefergas und -öl durch Fracking lohnt sich in Deutschland nicht / Kontroverse um Umweltschutz
Thomas Fasbender

Eine Lanze für das Fracking: Die Technologie zur Förderung des in tiefen Gesteinsschichten eingeschlossenen Schiefergases hat wissenschaftlichen Segen erhalten. In einem Gutachten unterstreicht die staatliche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), daß Fracking weder das Grundwasser verschmutzt noch Erdbeben auslöst. Das Fazit von annähernd 2.000 Seiten: „Gefahren für das Grundwasser bestehen bei der Auswahl geeigneter Standorte im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sowie der Einhaltung des Standes der Technik nicht.“

Vielen US-Frackingfirmen droht der baldige Bankrott

Beim Fracking wird gashaltiges Gestein unter hohem Druck durch ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien zum Bersten gebracht. Die ausgeschwemmten Kohlenwasserstoffe gelangen mit der Frackingflüssigkeit an die Oberfläche. Weltweit werden in den Rissen und Schründen tiefer Gesteinsschichten über 200 Billionen Kubikmeter Schiefergas vermutet – zehn Prozent mehr als die Reserven konventionellen Erdgases. Schätzungen der heimischen Schiefergas-Vorkommen rangieren von 320 bis zu 2.030 Milliarden Kubikmeter. Zum Vergleich: Die bestätigten Reserven konventioneller Gasvorkommen in Deutschland liegen bei 90 Milliarden Kubikmeter. Derzeit tragen diese noch ein Zehntel zur Gasversorgung bei.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Fracking gerade für Länder, die ihre Energierohstoffe bislang teuer importieren, ist enorm. Beispiele sind Australien, Polen oder China, wo längst aktiv mit der Technologie gearbeitet wird. In den USA hat Fracking vor Jahren schon einen regelrechten Öl- und Gasboom ausgelöst; dort deckt Schiefergas bereits ein Drittel des gesamten Gasverbrauchs.

Da das Verfahren aufwendiger ist als das Abpumpen klassischer Lagerstätten, lohnt es sich erst bei Ölpreisen jenseits 50 bis 70 US-Dollar je Faß. Im Januar, bei einem Preis von unter 30 Dollar, fuhren die US-Förderunternehmen jede Woche zwei Milliarden Dollar Verlust ein. Das Volumen zweifelhafter Kredite in der Branche stieg von 6,9 Milliarden Dollar vor zwei Jahren auf 34,2 Milliarden Dollar. Sollte der Preis des „schwarzen Goldes“ nicht bald wieder auf 50 Dollar steigen, steht einem Drittel der Firmen bis 2017 der Bankrott ins Haus.

Überzeugte Gegner des Frackings finden sich in Deutschland vor allem im ökologischen Lager. Im Zentrum steht die Sorge vor einer Verschmutzung des Grundwassers durch den der Fracking-Flüssigkeit zugemischten Chemikalien-Cocktail. Seit im Internet Bilder brennender Wasserhähne kursieren, gibt es die Angst davor, Erdgas könne in die Wasserleitung gelangen. Auch Erdbeben werden als mögliche Folge genannt.

Wie umstritten das Thema ist, beweist die Auseinandersetzung zweier Bundesbehörden. Schon 2012 hatte das Umweltbundesamt (UBA) in einer umfangreichen Studie gefordert, die neue Technologie, wenn überhaupt, nur unter strengen Umweltauflagen zuzulassen. In Trinkwasserschutzgebieten sollte Fracking komplett verboten werden. Kurze Zeit später erschien bereits eine erste BGR-Gegenstudie, wonach der „grundsätzlich umweltverträgliche Einsatz“ der Technologie zur Gasförderung aus unkonventionellen Vorkommen möglich sei. Die BGR wies darauf hin, daß die Schichten im Untergrund geologisch so gut voneinander getrennt sind, daß eine Vermischung des Grundwassers mit Gas oder Chemikalien unmöglich sei. Auch habe die Industrie den Chemiecocktail, der dem Frackingwasser beigemischt wird, verträglicher gemacht. Erdbeben infolge der Erschütterungen seien ebenfalls nicht zu erwarten. Seismische Reaktionen setzten erheblich stärkere Kräfte voraus.

In ihrem neuen Gutachten Anfang 2016 bekräftigen die BGR-Forscher ihre Bewertung: „Injizierte Fracking-Fluide steigen aus dem tieferen Untergrund nicht in das Grundwasser auf, aus dem unser Trinkwasser gewonnen wird. Auch die künstlich durch Fracking erzeugten Risse im Gestein erreichen nach den Untersuchungen nicht die zur Trinkwassernutzung geeigneten Grundwasserschichten.“ Ein Regierungsentwurf für ein Fracking-Gesetz liegt seit dem vergangenen April vor. Er wurde jedoch im Bundestag bislang nicht zur Abstimmung gestellt. Umweltschutzverbände, einige Landesregierungen und die Umweltschützer in den Parteien sperren sich gegen eine Zulassung ohne strengste Auflagen und Verbote. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt weiterhin, Fracking sei mit „erheblichen Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit“ verbunden.

Die eiserne Energiereserve nicht verschwenden

Ungeachtet der ganzen Auseinandersetzung darf man annehmen, daß letztlich die Entwicklung der Rohstoffpreise den Streit der Experten überflüssig macht. Die meisten Volkswirte konstatieren das Ende des 25jährigen Super-Zyklus‘ bei den Rohstoffpreisen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem langen Preis-tief. (JF 5/16). Der Wachstumsschub aus der Globalisierung, der Rückkehr Chinas und der Reintegration der ehedem sozialistischen Länder liegt hinter uns. Den Prognosen zufolge muß die Welt sich auf eine Epoche geringeren Wirtschaftswachstums – und anhaltend niedriger Rohstoffpreise – einstellen.

Bei Ölpreisen von deutlich unter 50 Dollar je Faß stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die heimischen Schiefergasreserven anzuzapfen, solange die Volkswirtschaft den Import von Gas und Öl ohne nennenswerte Schwierigkeiten verkraftet. Mit dem Verzicht auf Fracking zum gegenwärtigen Zeitpunkt erhält das Land sich nicht nur eine eiserne Energiereserve. Es ist auch anzunehmen, daß die technischen Möglichkeiten dereinst, wenn die Reserve eingesetzt werden muß, gereifter und ökologisch verträglicher sind.