© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Verbraucherschutz-Minister will individuelle Preise verbieten
Sie wollen es nicht verstehen
Thomas Kirchner

In Berlin experimentiert eine Supermarktkette mit individualisierten Preisen. Kunden, die viel Pizza und Dosenbier kaufen, bekommen mehr Rabatte angeboten als andere Käufer, weil es sich bei ihnen statistisch gesehen eher um einkommensschwächere Haushalte handelt. Eigentlich müßte solch privates Engagement für Geringverdiener Lob ernten. Doch weit gefehlt. Es soll verboten werden!

So will es jedenfalls Johannes Remmel, grüner NRW-Verbraucherschutzminister. Grundlage der Gesetzeskeule bildet eine Umfrage nach dem Bauchgefühl der Verbraucher zu individualisierten Preisen. Nach ihrer oberflächlichen Lektüre glaubt der Dagegen-Minister die Bevölkerung hinter sich – 57 Prozent sprechen sich gegen individualisierte Preise aus, – doch im Detail ist die Studie weniger eindeutig. Beispielsweise kommt der größte Widerstand ausgerechnet von Verbrauchern, die weniger als einmal im Monat online gehen, wo individualisierte Preise besonders weit verbreitet sind. Kritisch sehen Verbraucher vor allem die mögliche Nutzung von Adreßdaten zur Preisgestaltung. Inwiefern dies tatsächlich geschieht und ob jemand dabei Nachteile erfährt, bleibt ungeklärt. Insbesondere jüngere Verbraucher halten diese Praxis für unwahrscheinlich bei Onlinegeschäften. 

Individuelle Preisgestaltung ist keineswegs verwerflich. Denn das Schöne am Kapitalismus ist der Wettbewerb. Gerade online sind Preisvergleiche für Verbraucher so leicht wie nie zuvor. Es gibt Portale, die von Preisvergleichen leben und offenbar genug damit verdienen, aggressive Fernsehwerbung zu schalten. Hotel? Trivago. 

Wenn ein Händler einer Kundengruppe höhere Preise abverlangen will, ist es wahrscheinlich, daß ein anderer Händler genau diese Kundengruppe durch niedrigere Preise zu ködern versucht. Verbraucher stehen keineswegs allen Formen individueller Preisgestaltung kritisch gegenüber. Wenn es um Rabatte geht, insbesondere Treuerabatten, unterstützt sogar eine Mehrheit der Verbraucher individualisierte Preise, insbesondere unter aktiven Internetkäufern. Wichtig ist den Verbrauchern Nachvollziehbarkeit. Unklare Kriterien werden als unfair empfunden. 

Die Gefahr liegt mehr in einer Überregulierung als in individualisierten Preisen. Ein Ende von Rabatten wäre definitiv nicht im Interesse von Verbrauchern. Wie gut der Staat Preise gestalten kann, sehen wir in Venezuela. 

Die Politik sollte keine Gesetzesinitiativen auf Grundlage einer Umfrage nach dem Gefühl der Verbraucher initiieren. Ob die Praxis tatsächlich verbreitet ist und ob überhaupt ein Verbraucher dadurch schon einmal Schaden genommen hat, wird gar nicht erst untersucht. Eine Analyse von Kosten und Nutzen findet nicht statt. Käme Remmels Forderung aus einer anderen politischen Ecke, wäre sie als rechtspopulistisch abgekanzelt worden.