© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Total verfahren
Paul Rosen

Für die eigenen Interessen ist immer genug Geld da: Nachdem die Bundestagsabgeordneten erst einen zweistelligen Millionenbetrag für die Beschäftigung zusätzlicher Mitarbeiter geräuschlos beschlossen hatten, wird jetzt der Fuhrpark des Parlaments in Angriff genommen. 

Von Abgeordneten wie Steffi Lemke (Grüne) und Steffen-Claudio Lemme (SPD) wurden Beschwerden bekannt, daß die Fahrer zuwenig verdienen würden. In der Tat ist es für die private Betreiberfima schwierig, einen Fahrdienst zu betreiben, wenn die Abgeordneten nur in maximal 22 von 52 Wochen des Jahres da sind. Es rechnet sich schlicht und ergreifend nicht. So versucht die Firma, viele Fahrer nur als Aushilfen zu beschäftigen und auch an den Fahrzeugen (obere Mittelklasse) zu sparen. 

Die Sorgen um das schlecht bezahlte Personal sind natürlich nur vorgeschoben. In Wirklichkeit stören sich viele Abgeordnete daran, daß sie mit Mittelklassefahrzeugen durch Berlin chauffiert werden, die sich an jeder roten Ampel im Dutzend finden. Da sollen schon bessere Fahrzeuge her: Weniger VW und mehr Audi und BMW lautet die interne Devise, die Bärbel Höhn (Grüne) noch nicht ganz verstanden haben dürfte, da sie weiterhin gegen die „Kombination aus großen Limousinen und schlecht bezahlten Fahrern“ wettert.

Gegen die schlechte Bezahlung der Fahrer ist bereits eine Lösung in Sicht: Die Flotte wird künftig vom BwFuhrparkService der Bundeswehr betrieben. Dieser gehört dem Verteidigungsministerium und der Deutschen Bahn, einem hundertprozentigen Staatsbetrieb. Da sollen die Fahrer in Vollzeit beschäftigt werden. Daß sie in den sitzungsfreien Wochen nichts oder fast nichts zu tun haben, stört im öffentlichen Dienst des Bundes ohnehin niemanden. Für die politknah Beschäftigten ist Däumchendrehen eine häufige Übung.

Mehr Oberklasse-Limousinen bringen natürlich ein Problem mit sich: Die Begrenzung des Kohlendioxid-Ausstoßes, die die Politiker ihrem Volk verbindlich vorschreiben, halten sie dann selbst nicht mehr ein. Daher sollen auch einige Elektroautos (die kein Kohlendioxid ausstoßen) angeschafft werden, um im Durchschnitt der Flotte die Kohlendioxid-Ziele einzuhalten.  Bisher läßt sich nur Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mit einem Elektroauto von BMW durch die Gegend fahren. Weit reicht der Akku nicht: Die Strecke vom Ministerium zum nahe gelegenen Reichstag ist kein Problem; wenn Dobrindt nach Hamburg muß, nimmt er aber lieber einen Benziner oder Diesel. 

Kohlendioxid wird übrigens mit Elektroautos nicht eingespart. Wenn die Abgeordneten die Protokolle ihrer eigenen Fachgespräche lesen würden, könnten sie auf die Aussagen von Experten stoßen, die minutiös vorgerechnet haben, daß durch Elektroautos überhaupt kein Kohlendioxid eingespart wird. Der Herstellungsaufwand und die Stromerzeugung aus Kohle drücken die Kohlendioxid-Bilanz ins Negative. Aber vor besserer Einsicht haben sich die Abgeordneten stets gut zu schützen verstanden.