© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Debatte um europäisches Finanzministerium
Flucht nach vorn
Dirk Meyer

Jens Weidmann gilt als vorbildlicher Notenbanker: dem Amt verpflichtet, zurückhaltend, doch klar in der Position. In einem Beitrag mit seinem französischen Amtskollegen François Villeroy de Galhau haben sich beide „als überzeugte Europäer“ zu den Notwendigkeiten einer Fiskalpolitik angesichts einer Währungsunion geäußert, die nur eine gemeinsame Geldpolitik für alle Eurostaaten bietet. Sie sehen zwei Alternativen: Entweder bleibt es bei nationaler Verantwortung für die Einnahmen- und Ausgabenpolitik mit strikter Regelbindung oder ein europäisches Finanzministerium muß her. 

Obwohl der Fiskalpakt „geschärft“ und eine Schuldenbremse eingeführt wurde sowie eine Haushaltsüberwachung der nationalen Haushaltsplanungen stattfinden soll, entpuppt sich das bereits reformierte Regelwerk als Beruhigungspille. Fehlende harte Sanktionen wie Strafzahlungen oder der Ausschluß von den EU-Futterkrippen (Regional- und Strukturfonds) machen nationale Alleingänge attraktiv – zumal, wenn die Rettungskosten andere (mit-)tragen. Da scheint ein europäisches Finanzministerium wie eine Flucht nach vorne: Eigene Steuerhoheit und Eurobonds bieten direkten Zugriff auf die Fleischtöpfe, um die diskutierte europäische Arbeitslosenversicherung zu alimentieren.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ordnungsökonomik an der Universität der Bundeswehr.