© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

Kehrt Marsch für die Restarmee
Bundeswehr: Erstmals seit Ende des Kalten Krieges kündigt die Verteidigungsministerin bei der Ausrüstung eine Trendwende an
Christian Schreiber

Es klang wie eine Abrechnung, als der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), in der vergangenen Woche seinen Jahresbericht vorstellte: „Die Truppe ist es leid. Es fehlt zu viel.“ Die Bundeswehr sei am Wendepunkt. „Noch mehr Reduzierung geht nicht“, beschied Bartels. 

Personell und materiell wurden die Streitkräfte in den vergangenen Jahren kräftig nach unten gefahren. Von fast 600.000 Soldaten 1990 waren nach diversen Reformen Ende vergangenen Jahres nur noch 177.000 übrig. „Kleiner war die Truppe noch nie“, sagte Bartels, der forderte: „Das Jahr 2016 muß zum Wendepunkt werden.“ Schon am nächsten Tag schien es, als würden seine Forderungen erhöht. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ließ mit der Meldung aufhorchen, die Ausgaben für die Ausrüstung der Bundeswehr kräftig aufzustocken. Insgesamt will sie in den kommenden 15 Jahren 130 Milliarden Euro investieren, dafür sei  eine weitere Aufstockung des Wehretats nötig. Die „Verwaltung des Mangels“ solle beendet werden, teilte ihr Sprecher mit. 

Künftig sollen im Durchschnitt knapp neun Milliarden Euro pro Jahr in die Ausrüstung investiert werden, „dabei soll von der Nachtsichtbrille bis zum Kampfjet“ alles hinterfragt und möglichst modernisiert werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte kürzlich bereits mehr Geld für die Truppe in Aussicht gestellt, wirklich konkret war sie dabei aber nicht geworden. Wehrbeauftragter Bartels wies zudem darauf hin, daß Deutschland durch den Sparkurs bei der Armee seine Bündnispflichten verletze. Die bereits beschlossene Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung von 1,16 auf 1,18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr sei zwar gut, aber nach dem gerade beschlossenen Finanzplan solle dieser Anteil bis 2019 wieder auf 1,07 Prozent sinken. Die Nato-Staaten haben sich auf einen Richtwert von zwei Prozent verpflichtet. Deutschland erfüllt diese Vorgabe seit Jahren nicht. „Soll und Ist dürfen nicht weiter auseinanderklaffen“, sagt Bartels, der Sparkurs sei für die Truppe „wenig motivierend.“

Rüstungsindustrie ist zurückhaltend

Aus den Unterlagen, die von der Leyen nun dem Ausschuß präsentierte, geht hervor, daß die Bundeswehr bis 2030 zusätzliche Spähpanzer, Panzerhaubitzen und Marine-Hubschrauber sowie knapp 60 schwere Transport-Hubschrauber erhalten soll. So soll die Zahl der Fennek-Spähpanzer von 217 auf 248 und die der Panzerhaubitzen von 89 auf 101 erhöht werden. Der Fennek wird von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) hergestellt, an der Produktion der Panzerhaubitze ist zudem Rheinmetall beteiligt. Außerdem soll der Hubschrauber Sea Lion, der von Airbus hergestellt wird, künftig einen Sollbestand von 36 Stück haben. Die Linkspartei sprach umgehend von einem „Aufrüstungsbericht“ und einem „Geschenk an die Kriegsindustrie“.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisierte das Verhalten der Bundesregierung trotz der geplanten Mehrausgaben. In einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe appellierte er, daß die Nato-Vorgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung eingehalten wird. „Deutschland sollte die Verpflichtung binnen eines Jahrzehnts erreichen“, sagte Stoltenberg: „So hat es der Nato-Gipfel 2014 beschlossen.“

Entsprechend zurückhaltend reagierten auch Vertreter der Rüstungsindustrie auf die Ankündigung von der Leyens. Dies  sei zwar „ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BDSV, Georg Wilhelm Adamowitsch, der Nachrichtenagentur dpa: „Es bleibt aber abzuwarten, was tatsächlich in den Haushaltsberatungen umgesetzt wird.“ Das Zwei-Prozent-Ziel müsse Richtschnur für die Bundesregierung sein.

Ob der Ministerin die Umsetzung ihrer Pläne gelingt, steht noch in den Sternen. Immerhin sollen dabei auch zentrale Bestandteile der Bundeswehrreform ihres Amtsvorgängers Thomas de Maizière modifiziert werden. „Die Aufgaben der Bundeswehr haben sich verändert und werden sich dauerhaft verändern“, sagte von der Leyen, „daher müssen wir die Möglichkeit haben, flexibel reagieren zu können.“  Beim Koalitionspartner SPD regt sich bereits Kritik gegen das Vorhaben von der Leyens. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs beschwerte sich laut Spiegel  im Haushaltsausschuß darüber, daß die  Vorschläge von der Leyens mit den zuständigen Parlamentariern und dem Finanzministerium „nicht abgestimmt“ seien. Der SPD-Politiker fürchtet, daß durch voreilige Zusagen die Ausgaben des Bundes unkontrolliert ansteigen könnten: „Nicht mal der zuständige Ausschuß wird informiert. Und das ist so nicht abgesprochen.“