© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Knapp daneben
Jugendkicker unter Karrieredruck
Karl Heinzen

Dem Einsatz von sechs Streifenwagen ist es zu verdanken, daß in Hamburg ein Fußballturnier der E-Jugend mit vier Verletzten noch einigermaßen glimpflich endete. Polizeiangaben zufolge waren in der Partie zwischen dem FC Bingöl und Bergedorf 85 nach einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung zunächst die acht bis zehn Jahre alten Spieler aufeinander losgegangen. Daraufhin seien Eltern und weitere Zuschauer auf den Platz gestürmt, um sich an der Schlägerei zu beteiligen.

Der Vorfall bestätigt die Erfahrung, daß das Gewaltpotential von Partien um so höher ist, je jünger die Akteure sind. Im vergangenen Herbst hat der DFB für Begegnungen der F- und der G-Jugend daher die Anweisung erlassen, Zuschauer auf mindestens 15 Meter Sicherheitsabstand vom Spielfeld zu halten. Übermotivierten Eltern, die Spieler anbrüllen, den Schiedsrichter drangsalieren oder gar plötzlich auf dem Platz auftauchen und selbst ins Spielgeschehen eingreifen, sollte damit Einhalt geboten werden.

Die Gewaltausbrüche im Jugendfußball haben einen ganz anderen Hintergrund als Fanausschreitungen.

Nun ist zu prüfen, ob man die neue Regel auf alle Jugendkicker ausweiten und die Sicherheitsmaßnahmen insgesamt verschärfen müßte. Zu bedenken ist dabei, daß die Gewaltausbrüche im Jugendfußball einen ganz anderen Hintergrund als Fanausschreitungen im Umfeld von Begegnungen der Profiligen haben. Für Hooligans ist die Randale bloß ein Hobby. Wenn fanatisierte Eltern zur Gewalt greifen, geht es ihnen hingegen um die Karriere ihrer Kinder. Welchen Sinn hat es, Söhne in die Welt zu setzen, fragen sie sich, wenn aus ihnen nicht die Fußballstars von morgen werden, die in berühmten Clubs kicken und natürlich das ganz große Geld machen? Für nicht wenige Eltern ist dieses Kalkül Bestandteil ihrer Altersvorsorge. Ein illusorisches Ziel vor Augen, setzen sie ihre Kinder unter Dauerstreß und berauben sie einer unbeschwerten Jugend. Diesem Kindesmißbrauch könnte der Deutsche Fußball-Bund den Garaus machen. Er müßte nur die Nachwuchsförderung einstellen, und das Schaulaufen, das Hunderttausende Kinder an jedem Wochenende veranstalten, weil irgendwann einmal ein Talentscout aufkreuzen könnte, hätte ein Ende.