© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Man muß ihn einfach mögen
Schwurbrüchig, verschlagen, rauh, zuweilen ordinär: Kein Engel, der Gabriel, aber der Vollblutmusiker ist ein Unikum mit Herz
Ronald Berthold

Niemals! Im Leben nicht werde er ins Dschungelcamp gehen. Das hat Gunter Gabriel stets bei seinem geliebten Gläschen Rotwein beteuert, wenn im Januar wieder einmal eine Staffel dieses merkwürdigen Sozial­experiments mit Promis über die heimischen Bildschirme flimmerte. Irgendwie schwang bei diesen Bekenntnissen auch immer eine verächtliche Note für jene Kollegen mit, die sich wegen der äußerst lukrativen Lockangebote von RTL im australischen Urwald zum Affen machten.

Nun gehört es wirklich nicht zu den großen Geheimnissen, daß der Countrystar („Hey Boß, ich brauch’ mehr Geld“) ständig klamm ist, mit Geld nicht wirklich umgehen kann und Opfer seiner Großzügigkeit wird. Es kommt nicht selten vor, wenn man mit ihm in einem Berliner Gartenlokal sitzt, daß er einen anhaut: „Ey, haste mal 20 Euro?!“ Ohne zu zögern reißt er einem dann den Schein aus der Hand und drückt ihn den Straßenmusikern in die Hand, die gerade mal drei Liedchen geträllert haben und dann zur nächsten Kneipe weiterziehen. Er beteuert zwar regelmäßig, er würde sich bald ehrlich machen. Doch die meisten seiner Freunde ahnen, daß in Wirklichkeit sie die Combo finanziert haben. Seine liebenswürdig-schnoddrige Bemerkung „Mensch, Musiker müssen doch bezahlt werden“ nimmt ihm kaum jemand übel.

Keine Plauderei,            sonst Konventionalstrafe

Genausowenig wie, daß er jetzt seinen Schwur gebrochen hat, niemals am Dschungelcamp teilzunehmen. Wie zu hören ist, war das Angebot für ihn phantastisch. „Für Gunter hätten wir jeden Preis bezahlt“, ließ sich ein RTL-Mitarbeiter vernehmen. Letztlich sollen es 195.000 Euro gewesen sein, die der 73jährige für seinen Abstecher nach „Down Under“ kassiert hat. Ob er nun wegen seines Kurzauftritts tatsächlich die Hälfte zurückzahlen muß, wie die Bild-Zeitung spekuliert, scheint eher unwahrscheinlich. Wer Gabriel kennt, weiß, daß der Sänger dann doch noch ein bißchen auf die Zähne gebissen hätte. Fragen können wir ihn nicht. Dann würde tatsächlich eine Konventionalstrafe fällig werden.

Nach nur fünf von möglichen 16 Tagen wollte also der erste Star herausgeholt werden: „Ich will mich von euch verabschieden, ich bin am Ende“, stöhnte der Hüne. Er müsse sich schützen und wisse, daß er schon über seine Grenzen gegangen sei. „Bei aller Leidenschaft muß ich jetzt daran denken, daß ich nicht kaputtgehe. Ich komme ja gar nicht mehr richtig den Weg hier hoch. Ich versuche es immer, aber ich fühle mich total kaputt.“ Die Hitze, die Luftfeuchtigkeit und das Gedränge in dem Lager müssen für Gunter Gabriel, der bürgerlich Günter Caspelherr heißt, eine ziemliche Zumutung gewesen sein.

Gleichzeitig war es die einmalige Gelegenheit, finanziell wieder gehörig Boden unter die Füße zu bekommen. Umgerechnet auf die Länge seines Camp-Aufenthaltes kassierte er eine Tagesgage von 40.000 Euro. Anschließend konnte er dann noch anderthalb Wochen am australischen Hotelpool entspannen. Wer den Sänger kennt, kann sich gut vorstellen, daß er ein schnelles Aus bei „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ von Anfang an ins Kalkül gezogen hat. Seit mehr als 40 Jahren ist Gunter Gabriel im Showgeschäft. Er weiß, wie der Hase läuft und wie er auch einmal ein Schnäppchen machen kann.

Ein Profi, der weiß, was von ihm erwartet wird

Wer ihn im Camp beobachtet hat, der hat ihn auch so kennengelernt, wie er ist: herzlich, mitunter keine Manieren und nie um eine Zote oder einen ordinären Ausdruck verlegen. Sein Umgangston ist zuweilen rauh, doch hat er dabei meist ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Wer nur politisch korrekte Gespräche gewohnt ist, bekommt bei einem Kneipenabend mit ihm einen echten Kulturschock.

Gabriel ist eines jener Unika, die von aalglatten Manager-Imitatoren ersetzt werden und bald schon nicht mehr zu bestaunen sein werden. Insofern war seine Verpflichtung für RTL auf jeden Fall ein Erfolg. Wer vor laufender Kamera ins Meer pinkelt, der ist für eine Trash-Show sein Geld wert. Das war zwar nicht der authentische Gabriel. Aber der, der weiß, was von ihm erwartet wird, wenn er sich auf einen solchen Deal einläßt: ein absoluter Profi.

Foto: Gunter Gabriel kurz vorm Verlassen des Dschungelcamps: „Ich bin am Ende“, japste der 73jährige – oder hat er RTL nur ein Schnippchen geschlagen?