© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Tanit Koch im feministischen Fadenkreuz
„Bild“: Auch durch die Wahl einer weiblichen Chefin wird das Boulevardblatt den Sexismus-Vorwurf nicht los
Tobias Dahlbrügge

Feministinnen könnten eigentlich jubeln: Durch die Wahl einer Frau zur Chefredakteurin werden bei der verachteten Bild die Karten neu gemischt. Tun sie aber nicht. Stattdessen sieht sich Tanit Koch, kaum daß sie Kai Diekmann beerbt hat, Rempeleien von „Aktivistinnen“ ausgesetzt. Der Vorwurf: Sexismus.

Die Bonner Juristin und Politologin war zuletzt Diekmanns Büroleiterin. Jetzt sitzt sie selbst auf dem Bild-Thron. Damit rückte sie ins Fadenkreuz einer Kampagne mit dem schon sprachlich verunglückten Titel „Stop Bild-Sexism“. Deren Urheberinnen ventilierten einen „offenen Brief“ und fordern von Koch, den „allgegenwärtigen Sexismus in Bild“ unverzüglich abzustellen.

Denn Bild diskriminiere vor allem Frauen: „Ob Politikerinnen, Künstlerinnen oder Sportlerinnen: Frauen wird – wenn denn über sie berichtet wird – jegliche Expertise abgesprochen. Ungeachtet ihres Handelns werden sie gezielt auf ihr Äußeres und ihre Sexualität reduziert.“ 

Den Eindruck machte die Berichterstattung über Angela Merkel eigentlich nicht. Doch die Feministinnen haben nachgezählt: Von 155 Personenabbildungen in zwei Monaten waren nur ein Drittel Frauen (34 Prozent). Bei Politik und Wirtschaft waren 76,4 Prozent der Abgebildeten Männer, im Sportteil zu 83,6 Prozent vertreten. Soll Bild vielleicht statt von der Bundesliga über Bodenturnen berichten? Die Personen hingegen, die leicht bekleidet (77,1 Prozent) oder ganz nackt (83,5) vorkamen, waren vorwiegend Frauen. Das könnte daran liegen, daß Bild-Leser keine nackten Männer sehen wollen. Die armen Frauen seien „nackt, degradiert und sexualisiert“. So als ob sie gegen ihren Willen und ohne Honorar abgelichtet würden.

„Zahlreiche Studien“ hätten bewiesen, daß ein Zusammenhang zwischen „medialer Objektifizierung und alltäglicher Gewalt“ bestehe. Da haben die Nordafrikaner auf der Kölner Domplatte wohl zuviel Bild gelesen. Die taz, die den Aufruf gleich nachdruckte, hat übrigens nach Jahrzehnten weiblicher Führung erstmals einen Mann zum Chefredakteur gewählt.