© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/16 / 22. Januar 2016

Seite für Überblicker
übermedien.de: Das neue Blog von Stefan Niggemeier geht mit den Leitmedien ins Gericht
Ronald Berthold

Medienkritik ist notwendig. Stefan Niggemeier hat sich in diesem Genre profiliert. Nun bietet er mit dem früheren taz-Journalisten Boris Rosenkranz ein entsprechendes Portal an: Übermedien. Es soll sich finanziell tragen. Das Monatsabo kostet künftig 3,99 Euro.

Zu Recht konstatieren die Autoren: „Das Vertrauen in Medien ist dramatisch gesunken.“ Auch ihrer These, daß sich „etablierte Medien“ schwertun, „mit Kritik umzugehen“, wird niemand widersprechen. Zum Auftakt findet sich auf der Seite allerdings wenig Medienkritik, die Fehler oder gar Unwahrheiten nachweist. Stattdessen setzt das Duo auf Meinung.

In einem Beitrag erklärt Niggemeier, warum die Herkunft der Täter bei Straftaten besser nicht genannt werde. Er spitzt dies auf die These zu: „Es waren Ausländer. Mehr muß man nicht wissen.“ Der 46jährige behauptet, die Nennung eines Migrationshintergrundes habe eine „Stereotypen weckende und verstärkende Wirkung“. Sein Partner Rosenkranz plädiert auch im Fall Köln für „richtig verstandene Political Correctness“. Denn diese „wäre gerade in dieser aufgeheizten Situation sehr wertvoll: Kein Vertuschen, kein Verschweigen, aber ein sehr genaues Betrachten, wie wir berichten und welche Folgen das hat“.

Lesenswert und von beiden Seiten sehr medienkritisch ist ein Interview Niggemeiers mit Giovanni di Lorenzo. Einmal davon abgesehen, daß der Chefredakteur der Zeit große Zweifel äußert, ob sich Übermedien „irgendwann auch finanzieren“ werde, hält er sich seinerseits nicht zurück. Er spricht von einem „journalistischen Prekariat“ und sagt, „daß Häme – neben Zynismus – uns Journalisten nicht guttut und einer der Gründe für die Medienverdrossenheit im Land ist“. Auch mit Blick auf Niggemeiers Dauerkritik am Zeit-Kolumnisten Harald Martenstein wirft di Lorenzo dem Medienjournalisten vor, „daß sich Ihre Fehlersuche auch auf ‘falsche’ Meinungen erstreckt. Die Gefahr ist, daß Sie zu einer Art Gesinnungspolizei werden. Das ist mir zuwider.“