© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/16 / 22. Januar 2016

Grüße aus Bern
Na dann mal Prost
Frank Liebermann

Lallende Politiker sind nicht nur in Deutschland bekannt. Auch im Schweizer Parlament gibt es inzwischen Diskussionen, ob nicht der eine oder andere einen zuviel genommen hat, bevor er im Berner Bundeshaus seine Reden schwang. 

Grund für diese Frage ist nicht der Inhalt der Reden, obwohl einige durchaus den Eindruck hinterlassen, als ob sie in nicht zurechnungsfähigem Zustand geschrieben wurden. Eine große Diskussion kam in Gang, als ein prominenter Politiker mit schwerer und rauchiger Stimme seine Weisheiten zum besten gab, und das nur wenige Minuten nachdem die neue Regierung gewählt war.

Alles wurde live übertragen, ein Großteil der Bevölkerung verfolgte zu diesem Zeitpunkt die Wahlen. Eine Politikerin lag mit gesenktem Haupt auf ihrem Pult, wieder andere machten einen deutlich verkaterten Eindruck. Daher diskutieren Medien und Stammtische über das Trinkverhalten der Politiker. Allerdings ist das Problem nicht neu. Der Altbundesrat Christoph Blocher (SVP) hatte schon vor einigen Jahren die Kollegen Bundesräte aufgefordert, am Nachmittag gefälligst noch nüchtern zu sein.

Niemand fotografiert, ohne zu fragen, was peinliche Bilder in den Medien verhindert.

Verglichen mit anderen Hauptstädten ist Bern eher klein und überschaubar. Dies gilt auch für die gastronomische Szene. Zwar hat jeder Stadtteil eigene Lokalitäten, aber die höchste Konzentration ist doch im Zentrum der Stadt zu finden, ganz in der Nähe zum Parlament. Schweizer Politiker sind ohne Personenschutz unterwegs und können und wollen  sich nicht vom Volk separieren. Dies hat die Folge, daß in Bern jeder weiß, in welchen Lokalen sie verkehren. Von vielen Volksvertretern ist auch die Stammkneipe bekannt, trifft man diese doch häufig dort an. Auch wer keinen Politiker sehen möchte, wird zwangsweise immer wieder mit diesen konfrontiert, da diese einem im kleinräumigen Bern immer wieder über den Weg laufen. Die Politiker profitieren von der zurückhaltenden Art der Berner. Niemand fotografiert, ohne zu fragen, was peinliche Bilder in den Medien verhindert. 

Die meisten Abgeordneten sind weit weg von Familie und Freunden. Zudem sind es keine hauptberuflichen Politiker. Der Ausflug nach Bern ist dann eben auch ein geselliger Anlaß. Vielleicht halten es die Bundestrinker aber auch mit den alten Germanen. Sie stimmten über wichtige Themen gleich zweimal ab. Einmal betrunken, damit es nicht an „Feuer“ fehle, und einmal nüchtern, damit die rationalen Gedanken zur Geltung kommen.