© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/16 / 22. Januar 2016

Nordafrikaner geraten in den Fokus
Asylkrise II: Die verstärkte Einreise von Marokkanern und Algeriern ruft nach den Übergriffen der Silvesternacht Sicherheitsbehörden und Politik auf den Plan
Christian Schreiber

Die Parallelgesellschaft in Düsseldorf trägt in der Bevölkerung den Namen Klein-Marokko. Es ist ein Viertel, in dem überwiegend Migranten aus Nordafrika leben, darunter auch Illegale. Sozialarbeiter berichten von einer kriminellen Subkultur, von hoher Gewaltbereitschaft und von Frustration. 

Am vergangenen Wochenende führte die Polizei in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens umfangreiche Kontrollen im Bahnhofsviertel durch. Die Gegend gilt als Rückzugsgebiet maghrebinischer Banden. 40 Männer wurden im Zuge der Razzien vorläufig festgenommen. Bei 38 von ihnen bestehe der Verdacht des illegalen Aufenthalts, einer sei bereits zur Abschiebung ausgeschrieben, teilte die Düsseldorfer Polizei mit. 

Wieviele von ihnen am Ende die Bundesrepublik tatsächlich verlassen müssen, steht allerdings in den Sternen. Denn bisher scheiterten die Behörden allzuoft an den Mühen des Alltags. Rund 5.500 Algerier, Marokkaner und Tunesier in Deutschland waren laut einem internen Papier der Innenminister der Länder im Juli des vergangenen Jahres zur Abschiebung ausgeschrieben. Am  Ende wurden lediglich 53 von ihnen tatsächlich abgeschoben. 

Gabriel droht mit Kürzung der Entwicklungshilfe

Im Zuge der Syrien-Krise ist auch der Zuzug von Asylanwärtern aus den Maghreb-Staaten stark angestiegen. Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, sind allein im Dezember 2015 2.296 Asylsuchende aus Algerien und 2.896 aus Marokko eingereist. Im Juli 2015 waren es 647 Algerier und 329 Marokkaner. Im gesamten Jahr kamen 10.258 Marokkaner und 13.883 Algerier nach Deutschland. Die meisten von ihnen haben nur geringe Aussichten, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Dennoch bleiben sie teilweise über Jahre in der Bundesrepublik. Der Spiegel berichtet aus einem internen Behördenpapier, daß Abschiebungen nach Nordafrika häufig an der Blockadehaltung der Maghrebstaaten scheitern. Rückführungen nach Marokko seien „aufgrund des unkooperativen Verhaltens der Botschaft nur sehr eingeschränkt möglich“. Bei Algerien sieht es nur geringfügig besser aus. Das Verhalten der tunesischen Behörden wird von Beamten als „völlig unzureichend“ bewertet, der Zustrom aus Tunesien hält sich aber bislang in Grenzen.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) drohte indirekt mit einer Kürzung der Entwicklungshilfe, sollten Länder wie Algerien und Marokko ihre Landsleute nicht zurücknehmen. Deutschland sei nur dann bereit, in diesen Ländern wirtschaftlich zu helfen, wenn diese ihre Bürger wieder einreisen ließen, „die bei uns kein Asylrecht haben“, sagte er in der ARD. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) haben unterdessen den Tonfall deutlich verschärft. Asylbewerber aus Algerien und Marokko sollen nach ihrer Einreise nicht mehr auf Kommunen in ganz Deutschland verteilt werden, sondern in speziellen Einrichtungen ein Schnellverfahren durchlaufen und gegebenenfalls direkt abgeschoben werden. Und dies unabhängig davon, ob beide Länder wie geplant in naher Zukunft als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. 

Marokkanische Medien berichten unterdessen, daß zahlreiche Landsleute unter „falscher Flagge“ nach Deutschland einreisen würden. „Viele Marokkaner mischen sich in der Türkei unter die syrischen Migranten. Sie glauben, so ihre Chancen zu verbessern, in Deutschland als Flüchtling anerkannt zu werden“, sagte der Chefredakteur der Nachrichtenseite Hibapress, Adil Karmouti. Normalerweise hätte es Menschen aus den Maghreb-Ländern eher nach Spanien, Italien oder Frankreich gezogen.  Die Politik Merkels habe dies verändert. „Viele Marokkaner denken: Kanzlerin Angela Merkel hat die Tore geöffnet, und Flüchtlinge seien in Deutschland willkommen“, verdeutlichte Karmouti. Menschen aus Maghrebstaaten von Syrern zu unterscheiden, sei für Europäer nicht so einfach. Der Dialekt lasse sich leicht imitieren. 

Auch deshalb berichtete die Berliner Morgenpost, daß die Behörden noch nicht beziffern könnten, wie viele Asylbewerber „unter falscher Flagge“ segeln.