© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Die Kassen bitten zur Kasse
Gesundheitsversorgung 2016: Moderater Beitragsanstieg im gesetzlichem System / Beitragsschock bei privaten Versicherern / Anbieterwechsel gut überlegen
Peter Offermann

Egal ob gesetzlich oder privat – es wird teurer im Jahr 2016. Und so müssen die meisten der 70,3 Millionen Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von Januar an mehr bezahlen. Im Durchschnitt steigt der Zusatzbeitrag um 0,2 Prozentpunkte auf 15,7 Prozent, was bei einem Monatssalär von 2.500 Euro einen Mehrbeitrag von fünf Euro ausmacht. Bei der DAK-Gesundheit sind es sogar 0,6 Prozentpunkte und somit 15 Euro mehr. Bereits 2010 hatte die damalige DAK als eine der wenigen Kassen einen einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag von acht Euro erhoben, was Zehntausende Mitglieder zur Kündigung bewog.

Private Beitragserhöhung von 30 Prozent möglich

Auch der mit 9,5 Millionen Versicherten größte GKV-Anbieter, die Techniker Krankenkasse (TK), wird ihren Beitrag um 0,2 Prozentpunkte erhöhen. Ebenfalls die Barmer/GEK, die Knappschaft, die IKK Classic, die KKH und etliche AOKs haben ihren Zusatzbeitrag angehoben. Der Paragraph 175 SGB V räumt zwar ein Sonderkündigungsrecht ein – doch der Wechsel sollte gut durchdacht sein, denn nicht nur die geringe Beitragsersparnis zählt. Es gibt durchaus Leistungsunterschiede. So können Versicherte mit Bonusprogrammen Geldgutschriften für gesundheits- oder kostenbewußtes Verhalten erhalten. Manche Kassen bieten umfangreiche Zahnleistungen oder Naturheilverfahren an.

Wer über 4.237,50 Euro verdient, könnte sich die 8,47 Euro sparen, die etwa die TK nun maximal mehr verlangt. Ein Übertritt in eine Private Krankenversicherung (PKV) spart – je nach Eintritts­alter – nicht nur Geld, sondern bringt auch meist bessere Leistungen. Doch seit Jahren steigen auch die Ausgaben der Unternehmen und somit die Beiträge der 8,8 Millionen PKV-Versicherten. Bei einigen Assekuranzen sind im Extremfall „Beitragsanpassungen“ von 30 Prozent oder bis zu 250 Euro monatlich mehr möglich. Auch im PKV-System gibt es ein Sonderkündigungsrecht – doch dabei ist vieles zu beachten. Wer auf Lockangebote im Internet hereinfällt, kann unter Umständen nicht nur seine angesparten Altersrückstellungen verlieren, sondern muß dann eventuell auch mit einer Verschlechterung seiner Versicherungsbedingungen leben. Wichtig ist die Frage: Wie lange ist der Kunde bereits in diesem Tarif versichert? Auch die Wünsche und die familiären Verhältnisse sollte ein seriöser Berater berücksichtigen. Besser als ein Versicherer- ist oft ein Tarifwechsel innerhalb der bisherigen Gesellschaft.

Wurde etwa zur Zeit des Abschlusses des Vertrags ein Risikozuschlag wegen einer Allergie vereinbart, so kann man diesen überprüfen lassen. Ist man nämlich inzwischen beschwerdefrei, könnte dieser Zuschlag unter Umständen gestrichen werden. Das kann mitunter 20 Prozent und mehr ausmachen. Probleme könnten hier jedoch die Arztrechnungen der vergangenen Jahre bereiten. So dokumentieren manche Ärzte auf ihren Rechnungen noch jahrelang 

Diagnosen, deren Behandlung längst abgeschlossen ist.

PKV-Versicherte dürfen innerhalb der Gesellschaft in fast jeden vergleichbaren Tarif wechseln. Das lohnt sich, denn meist gibt es günstigere Tarife mit ähnlichem oder vergleichbarem Versicherungsumfang. Da der Tarifdschungel der Gesellschaften jedoch sehr undurchsichtig ist, sollte man hier einen unabhängigen Experten hinzuziehen. Auf Druck des Bundesgesundheitsministeriums haben sich viele große Krankenversicherer entschlossen, neue Leitlinien zur Beratung ihrer Kunden zu geben und diese beim etwaigen Tarifwechsel selbst zu beraten. Wer seine hohen PKV-Beiträge senken muß, weil er sich seine Krankenversicherung sonst nicht mehr leisten kann, muß verzichten und beim Leistungsumfang kürzen. Dies sollte jedoch nur machen, wer wirklich finanziell in der Bredouille ist, denn meistens geht man mit freiwilligen Leistungskürzungen unter dem Strich ein schlechtes Geschäft ein.

Höhere Selbstbeteiligung bringt größere Risiken

So könnte auf die freie Arztwahl verzichtet werden. Das bedeutet jedoch, daß der Versicherte – ähnlich wie teilweise in der GKV – bei sämtlichen Erkrankungen seinen Hausarzt konsultieren muß und dieser ihn dann bei Bedarf an einen Spezialisten überweist. Des weiteren könnte der finanziell in der Bredouille steckende Versicherte seine Selbstbeteiligung erhöhen – er muß dann aber gegebenenfalls sehr hohe Arztrechnungen auf einen Schlag begleichen.

Als Junger und Gesunder von niedrigen PKV-Einstiegsbeiträgen profitieren, als Älterer bei steigenden Beiträgen in die GKV wechseln – dieses in den USA dank Lyndon B. Johnsons staatlicher Medicare-Versicherung gängige Konzept ist in Deutschland eigentlich gesetzlich versperrt. Ist man jedoch als Privatversicherter nicht älter als 55 und verdient man ein Jahr lang weniger als die Versicherungspflichtgrenze (4.687,50 Euro monatlich), so kann man wieder zurück in die GKV. Gleiches gilt für Selbständige, die eine entsprechende Festanstellung annehmen.

Was aber tun, wenn dieser Schritt verbaut ist und man selbst den Beitrag für den PKV-Basistarif (Höchstbeitrag 2015: 639 Euro pro Monat, GKV-ähnlicher Leistungsumfang) nicht mehr zahlen kann? Dann landet man nach dem Mahnverfahren im Notlagentarif, welcher zwischen 100 Euro und 130 Euro kostet. Dieser greift jedoch nur bei akuten und medizinisch notwendigen Heilbehandlungen. Selbst die Prophylaxe beim Zahnarzt ist hier nicht abgesichert.