© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Kim spielt gern mit der Bombe
Nordkorea: Trotz allen Tauwetters mit Südkorea läßt China den nordkoreanischen Bundesgenossen noch nicht fallen
Albrecht Rothacher

Auf die kommunistische KimDynastie ist Verlaß. Kaum ist die Welt von anderen Krisen abgelenkt, bringt sie sich regelmäßig durch Raketenabschüsse, öffentliche Hinrichtungen und Atomexplosionen in Erinnerung. Am 6. Januar ließ Baby-Kim, der wahrscheinlich 32jährige Diktatorenenkel eine Wasserstoffbombe zünden – wenn es denn eine war. Drei klassische Atombomben wurden 2006 bis 2013 schon zur Explosion gebracht. Genug Plutonium für acht bis zwölf Atombomben besitzt das Land bereits. Es stellt sich nur die Frage, ob Nordkorea bereits in der Lage ist, die Bombe so zu miniaturisieren und in einen Raketenkopf zu packen, um sie auf Seoul oder Tokio zu werfen. Alternativ bleibt natürlich immer die Option einer „schmutzigen Bombe“, sie per Schiff oder U-Boot als Selbstmordkommando in Häfen von Südkorea, Japan oder sonstwo zu sprengen.

Nur Kims Fernartillerie besitzt Drohpotenzial 

Gibt es eine Logik in jenem Atomwahnsinn? Zweifellos. Atombomben sind die Waffe des armen Mannes und eröffnen internationale Erpressungsmöglichkeiten, die es sonst nicht gibt. Nordkoreas Zwei-Millionen-Mann- Armee ist gegenüber dem hochtechnisierten Süden und den Amerikanern hinsichtlich Panzern, Luftwaffe, Marine und Logistik völlig rückständig. Lediglich die vertunnelte Fernartillerie besitzt ernstzunehmendes Drohpotential und könnte das 30 Kilometer von der Waffenstillstandslinie entfernte Seoul in Schutt und Asche legen, bevor der Gegenschlag erfolgt.

Derweil läßt Kim in Pjöngjang einen Wolkenkratzer nach dem anderen hochziehen. Ein Vergnügungspark folgt dem nächsten. In der Hauptstadt darf nur die politisch zuverlässige Nomenklatura leben. Der Rest des Landes leidet unter einer furchtbaren Dürre. Eine neue Hungersnot wie jene der neunziger Jahre, der zwei Millionen Koreaner zum Opfer fielen, ist nicht ausgeschlossen. Derweil gehen die Säuberungen der Parteispitze weiter. 

Schaltete Kim junior zuvor Rivalen per Erschießungskommando oder gar Flakfeuer aus, so ging er jüngst bei einem engen Berater wieder zur Methode Autounfall über, die sein Vater erfand. Um so bemerkenswerter ist diese Methode, weil es in Nordkorea so gut wie keinen Autoverkehr gibt. Es bedarf also einiger Planung, bevor ein Nomenklaturauto zwischen zwei LKWs gerät. All dies soll den 7. Kongreß der Nationalen Arbeiterpartei im Mai 2016 absegnen. Das höchste Berufsrisiko für die Apparatschiks dort: Wer hört als erster zu klatschen auf? Angesichts der internationalen Sanktionen erfolgt 90 Prozent des Außenhandels mit der Schutzmacht China. Gelegentlich verdient Nordkorea sich ein Taschengeld mit dem Drogenhandel und Falschgeld. Tatsächlich aber lebt das rohstoffreiche Land vom Export von Kohle, Gold, Eisenerz und Seltenen Erden nach China. 

Für Obama kommt der Atomtest zur Unzeit

Oft erfolgt der Abbau in Sklavenarbeitslagern, Gulags, in denen Systemgegner systematisch zu Tode geschuftet werden. Die Schutzmacht China ist unter Präsident Xi auf ihren wüsten, unberechenbaren und zunehmend peinlichen Schützling Kim jedoch nicht mehr gut zu sprechen. Eine Einladung nach Peking hat er seit seiner Machtergreifung im Jahre 2011 noch nicht erhalten, zumal er auch Chinas Mann in Pjöngjang, seinen Onkel Yang, füsilieren ließ. Trotz allen Tauwetters mit Südkorea und ihrer Präsidentin Park läßt China den nordkoreanischen Bundesgenossen jedoch – noch –  nicht fallen. Der Süden ist schließlich mit den USA verbündet. Und noch besteht im Fall einer Wiedervereinigung aus chinesischer Sicht das Risiko amerikanischer Truppen am Grenzfluß Yalu. Nicht zuletzt opferte auch Mao Tse-tung seinen Sohn bei der Verteidigung des Kim-Regimes während des Krieges 1950 bis 1953.

Für die Regierung Obama kommt die nordkoreanische Explosion einmal mehr zur Unzeit. Im Jahr 2009 war er mit der Verkündigung einer atomwaffenfreien Welt angetreten. Mit dem Iran hat er ein halbwegs verifizierbares Abrüstungsabkommen erreicht. Doch gleichzeitig modernisierte China sein Atomarsenal und baut systematisch eine Atom-U-Bootflotte aus. Pakistan, ein fragiler, wenn nicht sogar quasi gescheiterter Staat, bastelt bis zu zwanzig Atombomben pro Jahr, und Präsident Putin drohte bei der Krim-Annexion im März 2014 kühl den Einsatz von Atomwaffen an, sollte der Westen über zahnlose Proteste hinausgehen. Der große Marschall Kim Jong-un ist in seinem Atomwahn nicht allein.