© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der Weg als Ziel
Paul Rosen

Vom lateinischen Wort „claudere“ (verschließen, abschließen) stammt in der deutschen Sprache der Begriff Klausur. Damit sind nicht nur Prüfungen gemeint, sondern auch Tagungen hinter verschlossenen Türen. Auch die Parteien und die Parlamentsfraktionen zelebrieren ihre regelmäßigen Klausurtagungen – vor allem im Januar. 

Vorbild all dieser Tagungen ist die Kreuther Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten, die seit 1976 stattfindet (JF 2/15). Was die Bayern können, wollten andere nur zu gern nachahmen, und so gehen inzwischen selbst Grüne und Linke regelmäßig in Klausur. Gern läßt man die Tagung in Bundesländern stattfinden, in denen Landtagswahlen anstehen. So ging das CDU-Präsidium vergangene Woche zur Klausurtagung nach Rheinland-Pfalz, wo Spitzenkandidatin Julia Klöckner im März Landtagswahlen zu bestehen hat. 

Die Tagungen sind von parteiübergreifenden Ritualen bestimmt. Schon weit vor der Jahreswende beginnen fleißige Referenten in Fraktionen und in den Parteizentralen, Arbeitspapiere zu schreiben, die auf den Klausuren beschlossen werden sollen. Pressesprecher und Abgeordnete gehen mit diesen Papieren, in denen exklusive Nachrichten enthalten sein sollen, schon vor den Klausurtagungen in den Redaktionen hausieren und versuchen, die Inhalte als Exklusivmeldungen unters Volk zu bringen. Die Journalisten, die diese Papiere zugesteckt bekommen, profitieren: Sie gelten als besonders gute Rechercheure und bekommen viele Zeitungsspalten oder Sendeminuten zum Verbreiten der vermeintlich exklusiven Nachrichten. 

Die Papierproduzenten richten sich an der aktuellen Nachrichtenlage aus. Ist gerade irgendwo Krieg, wird die Entsendung der Bundeswehr zum Thema gemacht. Ist Wirtschaftskrise, werden Konjunkturprogramme gefordert. Kommen viele Flüchtlinge, werden von den großen Parteien und Fraktionen schnelle Asylverfahren und Abschiebungen gefordert; Grüne und Linke halten natürlich  dagegen. Und ist Europa in der Krise, fordern alle unisono: Wir müssen noch mehr Europa machen. Meist dienen alte Papiere als Vorlage, zur Not werden die des vergangenen Jahres aufgefrischt. 

Der Neuigkeitswert dieser Papiere liegt partei- und fraktionsübergreifend nahe bei Null. Nach der Klausur sind sie so schnell vergessen, wie sie geschrieben wurden. Da die Autoren und Politiker natürlich wissen, daß sie Worthülsen und heiße Luft verkaufen, probieren sie die Aufwertung ihrer Klausurtreffen durch das Einladen möglichst prominenter Gäste. So war bei der CSU in Kreuth der britische Premier David Cameron zu Gast. 

Manchmal sind die Anreiseumstände interessanter als die eigentliche Tagung. Als die Grünen-Bundestagsfraktion auf dem Weg nach Weimar war, um dort wenig überraschend 2016 zum „Jahr der Integration“ auszurufen, blieb der Zug liegen. Der Grüne Jürgen Trittin twitterte jeden Versuch der Bahn, den Zug wieder in Gang zu bringen. Schließlich ging die Ersatzlok kaputt. Womit wieder erwiesen wäre, daß der Weg das eigentliche Ziel ist.