© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

Knapp daneben
Gedemütigte Französinnen
Karl Heinzen

Frankreichs Ruf, Trendsetter in der Mode zu sein, mag von der Welt beneidet werden. Für die Bewohner dieses Landes ist er eine Bürde. Wer es besucht, spürt, wie schwer seine Frauen an der Last tragen, eine Eleganz verkörpern zu müssen, zu der ihnen die natürlichen Voraussetzungen fehlen. Nur wenige versuchen, ihre körperlichen Mängel geschmackvoll zu verhüllen. Die meisten lassen sich gehen und kleiden sich so nachlässig, wie man es den Osteuropäerinnen in der Zeit des real existierenden Mangelsozialismus nachsagte.

Es kann daher nicht überraschen, daß 90 Prozent der Models, die auf den Pariser Laufstegen die neueste Haute Couture präsentieren, keine Französinnen sind. Anstatt sich an die weibliche Leitphysiognomie und -statur des Gastlandes anzupassen, in dem sie Karriere machen dürfen, versuchen sie aber, ihren eigenen Schönheitsidealen Geltung zu verschaffen. Dieser Arroganz will die Politik nun ein Ende machen.

Models müssen bei jedem Engagement nachweisen, daß ihr Gesundheitszustand gesetzeskonform ist.

Unter dem Vorwand, Frauen mit dem Hang zu Eßstörungen vor falschen Vorbildern zu bewahren, wurde gegen den Widerstand der letzten Libertins ein Gesetz durch das Parlament gepeitscht, das die Berufsfreiheit all jener einschränkt, die Mode zur Schau tragen. Models müssen in Zukunft bei jedem Engagement durch ein medizinisches Zeugnis nachweisen, daß ihr Gesundheitszustand gesetzeskonform ist. Dieses hat nicht nur über ihr Gewicht und ihren Body-Mass-Index, sondern auch über ihre Ernährungsgewohnheiten und die Regelmäßigkeit ihrer Menstruation Auskunft zu geben. Agenturen, die ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen und unzulässige Models beschäftigen, haben drakonische Geldstrafen zu erwarten. Den französischen Frauen ist damit aber noch nicht die volle Genugtuung verschafft. Weiterhin haben sie die Demütigung zu ertragen, in Medien mit Mode konfrontiert zu werden, die, so schön sie an sich auch sein mag, ihre Attraktivität auch nicht steigern könnte und zudem oft unerschwinglich ist. Erst wenn dieser Affront aus der Welt geschafft ist, erst wenn sie überall nur noch der Gewöhnlichkeit begegnen, die sie selbst verkörpern, dürfen sie zufrieden sein.