© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

Blick in die Medien
Wer ist echter Journalist?
Ronald Gläser

Es gibt solche und solche Journalisten. Die einen dienen sich den Machthabern an und werden dafür belohnt. Mit Hintergrundinformationen. Mit Einladungen zu Ministerreisen. Und nicht zuletzt mit hochdotierten Posten im als öffentlich-rechtlicher Sender titulierten öffentlichen Dienst. 

Ulrich Wilhelm ist so einer. Er war Angela Merkels Pressesprecher, wurde dann Chef des Bayerischen Rundfunks. Oder Steffen Seibert. Auch er: immer Regierungssprecher – erst beim ZDF, dann bei Merkel.

Die Medien genießen ihre Privilegien nicht, um den Mächtigen nachzulaufen. 

Auch die RBB-Chefin Dagmar Reim, die zur Jahresmitte ihren Posten räumen will, war stets sehr nahe am Politikbetrieb. Als sie ihren Rückzug bekanntgab, ließ Michael Müller, der Regierende Bürgermeister Berlins, eine lobhudelnde Pressemitteilung aufsetzen, in der es heißt „Ihr gilt unser aller Dank und Respekt“, da sie nicht nur eine „kluge und herausragende Journalistin, sondern auch eine sympathische und kompetente Persönlichkeit“ gewesen sei. Geht’s noch? 

Ein Journalist, dem von einem Regierungschef soviel Honig ums Maul geschmiert wird, müßte sich Grundfragen stellen. Hättest du den nicht mal härter angehen müssen? Wieso ist der auf einmal so freundlich?

Vielleicht stellt sich Frau Reim solche Fragen. Vielleicht auch nicht. Daß es auch anders geht, könnte sie von ihrem Kollegen Gunnar Schupelius erfahren. Der B.Z.-Redakteur ist wegen seiner kritischen Haltung vielen Berliner Politikern ein Dorn im Auge. Klaus Wowereit, Müllers Amtsvorgänger, hat ihn schroff wissen lassen: „Sie wissen, daß Sie nie ein Interview von mir bekommen?“ Ein Ritterschlag aus Sicht eines Journalisten.

Die Medien genießen ihre verfassungsmäßig abgesicherte Position mitsamt ihrer Privilegien nicht, um den Mächtigen nachzulaufen und ihre Propaganda zu verbreiten, sondern, um Kritik an der Macht zu üben. Als Korrektiv, als vierte Gewalt. Leider nimmt nicht jeder seinen Auftrag und seine Profession so ernst.