© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

Kenneth Rogoff gehört zu den Kronzeugen im Feldzug gegen das Bargeld
Der Prophet
Elliot Neaman

Im Ringen um die Abschaffung des Papiergeldes wird er immer wieder gern in Stellung gebracht: der Star-Ökonom und ehemalige Schachgroßmeister Kenneth Rogoff. Wenn einer wie er Bargeld als Relikt der Vergangenheit geißelt und die bargeldlose Volkswirtschaft als die Zukunft preist, dann beeindruckt das viele Menschen rund um den Globus.

Denn Rogoff genießt Vertrauen – denn Rogoff hatte gewarnt: Als die Wirtschafts-Kassandra der USA wurde er bekannt – und behielt recht, als 2008 der Crash kam. Seitdem folgen kritische Bürger gerne seiner Expertise. Auch zum Beispiel, wenn er argumentiert, von Bargeldwirtschaft profitierten hauptsächlich Drogenhändler und andere Kriminelle sowie Steuersünder.

Dennoch ist dem Harvard-Professor offenbar klar, daß er diesmal keineswegs so eindeutig  die Interessen der Bürger vertritt. So räumt er ein, daß er mit heftigem Widerstand vor allem seitens Vertretern der Bürgerrechte und des Datenschutzes rechne, die dem Staat nicht die alleinige Kontrolle über sämtliche finanziellen Transaktionen übertragen wollen. – Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß damit nämlich auch die Hürden, die derzeit der Beschlagnahmung von Vermögenswerten sowie der Erhebung willkürlicher Steuern im Weg stehen, weitgehend eliminiert wären. Rogoff vertritt zwar die Überzeugung, eine entsprechende Gesetzgebung könne die Bürger vor staatlicher Willkür schützen – in der Folge der Enthüllungen über das Ausmaß der NSA-Spitzelei ist das Mißtrauen dem Staat gegenüber jedoch zu groß, um es mit vagen Zusicherungen zu beschwichtigen.

Geboren wurde der ehemalige Chefökonom und Wissenschaftliche Direktor des IWF 1953 im Staat New York. Einen Namen machte er sich international zudem mit seinem Buch „Dieses Mal ist alles anders. Acht Jahrhunderte Finanzkrisen“ (2009), in dem er die weitverbreitete Fehlannahme widerlegte, schwere Wirtschaftskrisen seien trotz all der Verheerungen, die sie anrichteten, nur seltene Phänomene.

 Trotz vielfacher Kritik und sogar Negativschlagzeilen, als sich herausstellte, daß die darin enthaltenen statistischen Kurven und Diagramme seiner Co-Autorin Carmen Reinhart auf rechnerischen Fehlern beruhen, hat das Buch einen enormen Einfluß auf etliche politische Entscheidungsträger gewonnen. Eingeweihte reden gar davon, daß wir in einer „Reinhart-Rogoff-Welt“ lebten, und meinen eine Welt der sinkenden Erwartungen und des wachsenden Bewußtseins für die Fragilität ökonomischer Systeme – kurz, eine Welt, in der der nächste Crash schon absehbar ist.

Der Crash anderer Art, nämlich wenn die Bürger mit dem Bargeld letzte Freiräume gegenüber dem Staat verlieren, scheint ihn dagegen wenig zu kümmern.  

Ein bißchen mehr seiner bewährten Prophetie täte Altmeister Rogoff hier gut.