© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 53/15-01/16 vom 25. Dezember und 1. Januar 2016

Die Steuerschraube wird erneut angezogen
Haushalt 2016: Mehr als zehn Milliarden Euro Mehreinnahmen eingeplant / Totalüberwachung der Sparer beginnt
Christian Schreiber

Wolfgang Schäuble verspricht auch für kommendes Jahr eine „Schwarze Null“: „Im Haushaltsjahr 2016 nimmt der Bund keine Kredite zur Deckung von Ausgaben auf“, heißt es im Paragraph 2, Absatz 1 des Haushaltsgesetzes 2016. Dafür wurde der Bundesfinanzminister parteiintern und medial groß abgefeiert.

Doch schon in Absatz 2 wird eingeschränkt: „Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, Kredite zur Tilgung von im Haushaltsjahr 2016 fällig werdenden Krediten aufzunehmen“ – sprich: Der Bund sitzt auf Schulden von 1,1 Billionen Euro. Etwa ein Fünftel davon wird 2016 fällig. Um den Altschuldenberg zu refinanzien, werden alte durch neue Schulden ersetzt. Die Ausgabe von Schatzanweisungen, Obligationen oder Anleihen soll dem Bund bis zu 214,5 Milliarden Euro bringen.

Und Schäuble braucht noch mehr Geld. Obwohl die Inflationsrate angeblich unter einem Prozent liegt, sieht der Bundeshaushalt 2016 Einnahmesteigerungen von 3,4 Prozent auf 317 Milliarden Euro vor. Angesichts der unabsehbaren Asylausgaben dürften die bislang eingeplanten acht Milliarden keinesfalls ausreichen, wie der bayrische CSU- und der thüringische Linken-Ministerpräsident in seltener Eintracht zu bedenken gegeben haben.

Insgesamt rechnet der Bund im kommenden Jahr mit Steuereinnahmen von 288 bis 290 Milliarden Euro – über zehn Milliarden mehr als 2015. Damit die Kasse beim Fiskus auch wirklich klingelt, hat sich der CDU-Politiker – wie schon sein SPD-Vorgänger Peer Steinbrück – speziell auf dem internationalen Parkett als Vorkämpfer gegen Steuerhinterziehung einen Namen gemacht. Griechische Politiker bezeichneten ihn kürzlich sogar als „Missionar der Steuergerechtigkeit“. Angesichts des Laisser-faire in der griechischen Finanzverwaltung könne Schäuble „uns zeigen, wie es geht“, sagte der parteilose griechische Vizefinanzminister Tryfon Alexiadis der Bild-Zeitung.

Und beim Stopfen vermeintlicher Steuerschlupflöcher und dem Erschließen zusätzlicher Einnahmequellen gibt es in Deutschland à la DDR längst eine „Nationale Front“ der Parteien und Massenorganisationen: Der Bundestag gab bereits im vergangenen Monat grünes Licht für den automatischen Austausch von Finanzdaten mit anderen Ländern. Der Beschluß fiel einstimmig, was selten ist. Der SPD-Abgeordnete Andreas Schwarz nannte die im Vergleich zu anderen EU-Ländern vorzeitige Neuregelung sogar einen „Meilenstein in der Bekämpfung der Steuerkriminalität“.

Aus für Bankgeheimnis und Abgeltungssteuer

Ab 2017 sind Banken und Sparkassen in Deutschland verpflichtet, sämtliche Informationen über Guthaben, Zinsen und Dividenden an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu melden. Für den Vorreiter Deutschland gilt die totale Kontenerfassung allerdings schon ab sofort: „Finanzinstitute müssen mit Stichtag 31. Dezember 2015 den Altbestand ihrer Konten erfassen und ab dem 1. Januar 2016 bei Neukunden die steuerliche Ansässigkeit feststellen. Der erste automatische Informationsaustausch von Daten wird im September 2017 erfolgen. Zukünftig werden die Steuerverwaltungen weltweit, darunter auch die deutsche, die Information erhalten, die sie für eine korrekte Besteuerung aller Steuerpflichtigen benötigen“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesfinanzministeriums.

Bereits im vergangenen Jahr hatten 51 Länder im Rahmen eines OECD-Abkommens eine entsprechende Vereinbarung zum automatischen Steuerdatenaustasch (AEOI) unterzeichnet. Daran beteiligten sich sogar Steueroasen wie Liechtenstein oder die Virgin- und Cayman-Inseln. Die Ratifizierung fand im Berliner Finanzministerium statt. Mittlerweile haben sich insgesamt 78 Staaten dem Multilateral Competent Authority Agreement (MCAA) angeschlossen: „Als Gruppe sind wir entschlossen, unser globales Ziel weiterzuverfolgen, die Überwachung der Umsetzung dieses neuen Standards innerhalb des Global Forums zu unterstützen und zu gewährleisten, daß alle Länder die Vorteile des neuen Standards realisieren. Durch unser gemeinsames Vorgehen erkennen wir an, daß nur die Finanzplätze, die sich für die höchsten Transparenzstandards entscheiden und eng zusammenarbeiten, in Zukunft erfolgreich sein werden.“

Der schweizerische Blick warnte daher kürzlich schon alle ausländischen Bankkunden, sich nicht länger auf das Bankgeheimnis zu verlassen: „Heute liefert die Schweiz anderen Staaten Informationen über Steuersünder nur auf deren Ersuchen hin. Künftig sollen die Informationen zwischen der Schweiz und bestimmten Staaten automatisch fließen.“ Die Sonderrolle der Eidgenossen ist damit passé, doch die USA, Rußland, die Golfstaaten, Israel, Malaysia, Singapur, Taiwan oder die Türkei haben das MCAA bislang nicht unterzeichnet.

Schäuble hat unterdessen noch viel weitreichendere Pläne. Als nächstes fällt die Abgeltungssteuer – statt pauschal 25 Prozent soll künftig der oft höhere persönliche Steuersatz fällig werden. Doch vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist dazu kein Gesetzentwurf zu erwarten. 

Etwa sieben Prozent des Bundesetats (22 Milliarden Euro) werden durch Verwaltungseinnahmen, die Lkw-Maut, Gebühren und dergleichen finanziert. Und nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ sollen die Finanzämter auch bei Otto Normalverbraucher keine Gnade mehr kennen: Wer seine Einkommensteuererklärung verspätet einreicht, soll künftig grundsätzlich mit einem Verspätungszuschlag von mindestens 50 Euro je Monat bestraft werden.

Daten zum Bundeshaushaltsplan:  www.bundeshaushalt-info.de

Unterzeichner des MCAA-Abkommens: oecd.org