© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/15 / 18. Dezember 2015

Knapp daneben
Appell an das Rechtsempfinden
Karl Heinzen

Was die Anhänger des 1. FC Köln zu Heimspielen ins Müngersdorfer Stadion lockt, kann nur vermutet werden. Die Aussicht, einen Treffer der eigenen Elf zu sehen, ist es jedenfalls nicht. Das letzte Bundesliga-Tor gegen eine Gastmannschaft gelang am 25. September. Nicht einmal ein unberechtigter Elfmeter, der den Domstädtern im jüngsten Heimspiel gegen den FC Augsburg zugesprochen wurde, sollte diese Negativserie reißen lassen. Der Schütze, Anthony Modeste, rutschte aus und verzog. Das Malheur konnte ihm allerdings nur unterlaufen, weil der Augsburger Torwart Marwin Hitz zuvor aus lauter Wut über den Pfiff des Schiedsrichters das Terrain um den Elfmeterpunkt mit seinen Stollen großflächig umgepflügt hatte. Das unsportliche Vergehen blieb im Spiel ungeahndet. Die Quittung bekam Hitz erst später vom Stadionbetreiber. Er stellte ihm den Austausch von einem Quadratmeter Rasen mit 122,92 Euro in Rechnung.

Wer tritt, droht oder fremdes Eigentum beschädigt, gehört nicht unter die Dusche, sondern vor Gericht.

Ein verlorener Punkt im sich anbahnenden Abstiegskampf ist weitaus mehr wert. Zudem ist das seit längerem angeknackste Selbstvertrauen von Anthony Modeste durch die Blamage weiter beschädigt worden. Sein Tief zieht den Verein mit nach unten. Die ökonomischen Konsequenzen dürften gewaltig sein. Kaum zu beziffern ist der seelische Schaden, den Tausende von Fans und all jene, an denen sie ihren Unmut ausließen, genommen haben.

Die Höhe des Hitz abgeforderten Betrags ist aber unerheblich. Die Rechnung mahnt vor allem, einen Mißstand nicht länger zu dulden. Das Spielfeld ist immer noch ein Raum, in dem nicht nur der Ball, sondern auch der Rechtsstaat mit Füßen getreten wird. Die Delikte Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Bedrohung, begangen vor einem Millionenpublikum in den Stadien und vor den Bildschirmen, sind Woche für Woche gang und gäbe. Die Justiz schaut zu, wie das öffentliche Rechtsempfinden ausgehöhlt wird, und überläßt die Sanktionierung einem Schiedsrichter, dessen höchstes Strafmaß die rote Karte ist. Wer tritt, schlägt, droht, beleidigt oder fremdes Eigentum beschädigt, gehört aber nicht unter die Dusche, sondern vor Gericht.