© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/15 / 18. Dezember 2015

Neue Köpfe will das Land
Spanien: Den Konservativen droht ein Wahldebakel
Michael Ludwig

Die Szene glich dem Einzug der Gladiatoren in die Arena, und der Kampf, den sie ausfochten, galt Sympathiewerten und Wählerstimmen. Wenige Tage vor der Parlamentswahl am kommenden Sonntag marschierten vier spanische Spitzenpolitiker ins Madrider TV-Studio von La Sexta. Und als sie Aufstellung genommen hatten, ließ sich, was die körperliche Größe betraf, ein deutliches Links-Rechts-Gefälle nicht übersehen: Ganz außen positionierte sich Pedro Sánchez von der Sozialistischen Partei (PSOE), dann kam der etwas kleinere Politologe mit dem Pferdeschwanz, Pablo Iglesias, von der noch weiter links angesiedelten Podemos-Bewegung, ihm schloß sich Albert Rivera von den liberalen Ciudadanos an. Ganz rechts folgte die amtierende Vizepräsidentin Soraya Sáenz de Santamaria, die für die konservative Regierungspartei PP in den Ring stieg, die die Wahl 2011 mit absoluter Mehrheit gewonnen hatte. 

Die Tatsache, daß Soraya Sáenz die Position der Regierung vertrat und nicht Ministerpräsident Mariano Rajoy, löste bei vielen Fernsehzuschauern Spott aus – sie unterstellten dem wesentlich älteren und graubärtigen Rajoy, sich nicht zu trauen, gegen die Garde der jungen Politiker – sie sind allesamt zwischen 36 und 44 Jahre alt – anzutreten. In der Tat: der 60jährige kommt bei seinen öffentlichen Auftritten hölzern daher, während seine Stellvertreterin als ausgesprochenes Energiebündel gilt. 

Während der mehrstündigen Sendung konnten vor allem Iglesias und Rivera punkten, während Sánchez sich weitgehend in Gemeinplätze flüchtete, und Soraya Sáenz Mühe hatte, die Korruptionsvorwürfe gegen ihre Partei abzuschmettern. Im großen und ganzen dürfte die mit Spannung erwartete Debatte das gegenwärtige politische Kräfteverhältnis nicht wesentlich verschoben haben. Der letzten Umfrage der Tageszeitung El Mundo zufolge liegt die PP bei 27,2 Prozent, die PSOE bei 20,3, Ciudadanos bei 19,6 und Podemos bei 18,4. Alle anderen Parteien bringen es auf keine nennenswerten Ergebnisse.

Dabei sah es vor einem Jahr noch ganz anders aus. Bis Anfang dieses Jahres herrschte in Spanien der „bipartismo“, die Konservativen und die Sozialisten bestimmten allein die Regierung. Diese Zeit ist mit dem Auftreten der beiden Newcomer Ciudadanos und Podemos Vergangenheit, beide Parteien konnten sich innerhalb kurzer Zeit im politischen Spektrum des Landes etablieren. Wie sehr die Altparteien an Vertrauen eingebüßt haben, zeigt folgende Umfrage – die große Mehrheit der Spanier, nämlich 69 Prozent, ist der Meinung, daß dem Land ein Parteienwechsel, bei dem weder PP noch PSOE am Ruder sind, guttun würde. Was die Beliebtheit der neuen Parteien betrifft, haben die Ciudadanos einen erheblichen Vorsprung vor Podemos – 59 Prozent wollen lieber vom Liberalen Rivera regiert werden, lediglich 23 Prozent vom Linken Iglesias.

Dennoch zog die PP noch einmal alle Register, um auf die wirtschaftlichen Erfolge ihrer Regierung hinzuweisen. In der Tat – Spanien scheint sich langsam aus der Krise zu befreien, die das Land in eine tiefe Rezession gestürzt hat. Die Arbeitslosigkeit hat sich von 26,1 (2013) auf 22,5 Prozent (2015) vermindert, das Bruttoinlandsprodukt, das vor drei Jahren noch einen Rückgang von zwei Prozent zu verzeichnen hatte, wird in diesem Jahr um 2,4 Prozent steigen, nächstes Jahr soll es sogar um drei Prozent wachsen. Doch viele neue Arbeitsverträge sind zeitlich befristet, manche werden nur für einen Monat abgeschlossen. Die EU-Kommission vertritt daher die Ansicht, daß die optimistischen Voraussagen der Regierung nicht von der Wirklichkeit gedeckt sind und fordert deshalb eine Überarbeitung des Etats.