© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/15 / 18. Dezember 2015

Stefan Aust. Der ehemalige Spiegel-Macher wird nun Chefredakteur der Welt.
Der Blattmacher
Christian Vollradt

Ein „guter Blattmacher“ sei der immer schon gewesen, sagte mal jemand, der ihn lange kennt, über Stefan Aust: „begabt und autoritär“. Vielleicht sind diese beiden Eigenschaften nicht gerade sympathieweckend. Doch bilden sie eine gute Grundlage für Austs neuen Posten als Chefredakteur der Welt ab 1. Januar (Seite 17), deren Herausgeber er seit 2014 war. Begabung braucht es sicherlich, um Springers traditionsreiches, aber defizitäres Flaggschiff durch die Medienkrise zu steuern; und ein robustes Auftreten schadet nicht, um als Alpha-Journalist zu bestehen. 

Dabei ist der öffentliche Aust gewiß kein Polterer. Vielen Fernsehzuschauern ist er wohl noch als eher unaufgeregt, fast leise in Erinnerung. Wie er sie als langjähriger Moderator und (seit 1988) Chef von Spiegel TV durch die charakteristische runde Brille mit dem schmalen Silberrand, leicht süffisant lächelnd ansah, immer in Hemd und Krawatte, doch ohne Jackett, vor einer Wand aus Monitoren. Sein mäßig betonender Sprachstil verriet die norddeutsche Herkunft des 1946 in Stade geborenen Bauernsohns. 

Seiner Heimatregion blieb Aust trotz wechselnder Arbeitgeber treu: Ob Ende der sechziger Jahre als Redakteur der damals schwer angesagten linken Zeitschrift Konkret (Erfolgsrezept: „Mao und Möpse“), als Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks (ab 1970 vor allem für das Magazin „Panorama“) oder eben beim Spiegel; zunächst in der Fernsehsparte des Nachrichtenmagazins, dann von 1994 bis 2008 als dessen Chefredakteur. 

Der Abgang dort war häßlich. Aust wurde vorgeworfen, er habe das „Sturmgeschütz der Demokratie“ zu seicht werden lassen, zu wenig links positioniert. Ausgerechnet ihm, der einst Ulrike Meinhof und andere aus dem  Umfeld der Rote Armee Fraktion persönlich kannte? „Ich war nie ein Linker, sondern schon zu Konkret-Zeiten im Grunde ein bürgerlicher Liberaler wie heute“, so Aust über Aust. Das sahen die Terroristen Andreas Baader und Horst Mahler offenbar ähnlich, die ihn 1970 gerne erschossen hätten, weil Aust die von der RAF geplante Verschleppung der Meinhof-Töchter verhindert hatte. Nachzulesen in seinem Bestseller „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Als Liberaler frönt Aust nicht nur der Pferdezucht, sondern mißtraut auch einem Staat, der das Recht beugt. Davon zeugen seine Enthüllungen zu Geheimdienstskandalen wie dem Fall des Verfassungsschutz-V-Manns Ulrich Schmücker, des Agenten Werner Mauss – oder aktuell zu den Ungereimtheiten der NSU-Terrorzelle.

Die eingangs zitierte Charakterisierung stammt übrigens von Henryk M. Broder. Der Publizist hatte einst in Hamburg unter Aust beim Porno-Politik-Heftchen St. Pauli Nachrichten (eigenes Motto: „Das Lustblatt der Weltstadt, informiert, amüsiert“) angefangen und ist (auch) von ganz links über den Spiegel zur Welt gelangt. Demnächst also wieder in einem Boot mit dem begabten Blattmacher Stefan Aust.