© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/15 / 11. Dezember 2015

Milch ohne Kuh
Milchersatzgetränke liegen im Trend / Höhere Besteuerung, höhere Herstellungskosten
Heiko Urbanzyk

Getränke aus Soja, Hafer, Reis, Mandeln, Haselnüssen und Dinkel liegen im Trend. Der Markt für diese Milchersatzgetränke ist regelrecht explodiert. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung erzielte der Lebensmittelhandel im Jahr 2014 mit Milchersatzprodukten einen Umsatz von 154 Millionen Euro – ein Plus von über 40 Prozent gegenüber dem Jahr 2013. Der Umsatz mit herkömmlicher Milch stieg im selben Zeitraum lediglich um 3,2 Prozent. Die Motivation für den Verzehr ist unterschiedlich: eingebildete oder tatsächliche Lactoseintoleranz, der Wunsch nach fettarmer Ernährung, Rücksicht auf das Tierwohl, aber auch der natürlich wirkende, süße Geschmack, um nur einige zu nennen. Aber wie wird aus der Feldfrucht ein Getränk? Und warum sind die Produkte so teuer?

Die Leiterin der Produktentwicklung im Hause der Kölln GmbH, Anne-Dore Knaack, erklärt auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT den Herstellungsprozeß ihres Hafergetränks „Smelk“: „Haferdrinks werden aus dem ganzen Haferkorn einschließlich Keim und Randschichten hergestellt: Hafer wird von der Spelze befreit, zu Hafervollkornmehl vermahlen und mit Wasser versetzt.“ Hafer enthalte bis zu 60 Prozent Kohlenhydrate in Form von Stärke, die über eine Fermentation zum Teil zu Zucker abgebaut würden. Dabei entstehe eine süßliche Basis, die mit weiteren Zutaten vermischt werden könne. Damit Hafergetränke lange haltbar bleiben, werden sie bei der für Müsli bekannten Elmshorner Traditionsmarke Kölln vor der sterilen Abfüllung ultrahocherhitzt.

Iris Ehmcke bestätigt für den schwedischen Hafergetränkeproduzenten „Oat­ly“ (nach dem englischen Wort „oat“ für Hafer) gegenüber der JF den Herstellungsprozeß. „Vereinfacht kann man sagen, das Oatly-Werk ist zuerst eine Getreidemühle und dann eine Molkerei“, scherzt sie. „Für einen Liter Oatly-Haferdrink werden etwa 130 Gramm Hafer eingesetzt.“ Bei Kölln kommen laut Knaack 8,5 bis 10 Prozent Hafer in die Smelk-Tüte.

Während ein Liter Milch im Supermarkt für etwa 55 Cent zu bekommen ist (Biomilch ab etwa 99 Cent) beginnt die Preisspanne für Milchersatzgetränke bei 99 Cent pro Liter und überschreitet im Bereich Hafer je nach Produkt sogar die Drei-Euro-Marke (bei Mandeln 4,50 Euro). „Es ist der Herstellungsprozeß, der den Preis bedingt“, rechtfertigt Ehm­cke. „Wir beginnen den Prozeß mit trockenen Produkten des Hafers und müssen diese selbst veredeln und in eine flüssige und schmackhafte Form bringen.“ Bei der Milchherstellung sei es die Kuh, die mit der Milch das fertige Produkt liefere. „In flüssiger Form“, so Ehmcke. Für den Bioproduzenten Alnatura aus Bickenbach ergänzt Stefanie Neumann, daß zudem die geringe Absatzmenge den Preis bedinge.

Ob Oatly, Kölln oder Alnatura, für die Preisunterschiede zur Milch nennen alle befragten Produzenten vor allem einen Preistreiber: die 19prozentige Mehrwertsteuer auf Milchersatzprodukte im Vergleich zu den nur sieben Prozent auf Milch und Milchprodukte.