© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/15 / 11. Dezember 2015

Frisch gepresst

Umgangston. „Ich verbitte mir diesen Ton, Sie Arschloch!“ Der Titel ist Konzept: möglichst schwarzweiß, wenig Zwischentöne. Andreas Hock verharrt in seiner Analyse „über den Niedergang der Umgangsformen“ meist im Verkündungsmodus: Zum Beispiel, wo sich denn der feine Unterschied finde zwischen bezopftem Courtoisie-Gehabe und geistesadelndem Stil? Oder der gar nicht so schmale Grat zwischen unangemessenem Kumpel-Gehabe und frostiger Distanz? Oder warum viele europäische Sprachen keine Unterscheidung zwischen „Sie“ und „Du“ kennen und trotzdem Raum für gutbürgerlichen Respekt lassen? Zugegeben, Hocks kleine Kulturkritik ist logisch gegliedert: Jedes Kapitel widmet sich einem anderen Alltagsfeld (Straßenverkehr, Freundeskreis oder Annäherungsversuche), in dem der 41jährige Spiegel-Journalist mit Hilfe seiner Anekdoten zwar anschaulich, aber oft mit etwas gewollt amüsantem Tonfall das Damals gegen das Heute stellt und dabei glaubwürdig auf soziologische Erhebungen rekurriert. Dennoch bleibt zu vieles unhinterfragt. Warum soll beispielweise das gestrige, allabendliche Flimmerkistenritual dem raffinierten Computer-Strategiespiel von heute vorzuziehen sein? (cop)

Andreas Hock: Ich verbitte mir diesen Ton, Sie Arschloch! Über den Niedergang der Umgangsformen. Riva Verlag, München 2016, broschiert, 169 Seiten, 14,99 Euro 




Bosnien. Es ist zwar kein „failed state“, und damit unterscheidet sich Bosnien-Herzegowina von den meisten anderen Ländern, in denen die „westliche Wertegemeinschaft“ in den vergangenen 25 Jahren Krieg geführt hat. Aber, so resümiert der Schweizer Autor Alexander Nyffenegger, weit davon entfernt ist das von Korruption geprägte multikulturelle Gebilde aus der Erblast des Jugoslawienkrieges nicht. Nach wie vor dominieren die Gegensätze und Spannungen der Serben, Kroaten und Bosnier den Alltag. Den besonderen Fokus richtet Nyffenegger auf den religiösen Extremismus, der bei den bosnischen Moslems durch den aus den arabischen Ländern dort importierten Wahhabismus geprägt ist. Seit der Unterstützung ihrer Glaubensbrüder im Krieg vor zwanzig Jahren ist dieser unselige Einfluß überall spürbar und unterminiert alle Versuche, ein erträgliches Miteinander der Ethnien und Religionen zu organisieren. (bä)

Alexander Nyffenegger: Bosnien. Ein Land zwischen Korruption und Extremismus. Verlag Haag + Herchen, Hanau 2015, broschiert, 101 Seiten, 16 Euro