© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/15 / 11. Dezember 2015

Waffenrecht ändern?
Illegale Waffen sind das Problem
Jan Timke

Im vergangenen Jahr wurden deutschlandweit rund 152.000 Wohnungseinbrüche von der Polizei registriert. Das ist der höchste Stand seit 15 Jahren. Das Gefühl, nicht einmal mehr in seinen eigenen vier Wänden sicher zu sein, löst große Ängste bei den Menschen aus. Viele Bürger wollen eine Schußwaffe besitzen, um sich und ihr Eigentum schützen zu können. Ein nachvollziehbarer Wunsch.

Dem steht das strenge deutsche Waffenrecht entgegen. Der Gesetzgeber trägt damit der Tatsache Rechnung, daß in einem Rechtsstaat das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat liegt. Folgerichtig haben die Mitglieder des Gemeinwesens auf Selbstjustiz zu verzichten. Das ist eine bedeutende zivilisatorische Errungenschaft, an der nicht gerüttelt werden sollte. Die modernen Demokratien und damit die Idee des staatlichen Gewaltmonopols sind übrigens nach der Erfindung von Feuerwaffen entstanden. Das hatte seinen Grund.

Waffen vermitteln ihren Besitzern eine trügerische Sicherheit. Es kommt nicht von ungefähr, daß professionelle Waffennutzer wie Sportschützen, Jäger und Polizeibeamte die Handhabung ihrer Waffe nicht nur erlernen, sondern sie permanent einüben.

Das deutsche Waffenrecht hat sich im großen und ganzen bewährt. Die geltenden Vorschriften begrenzen die Zahl der in Privatbesitz befindlichen Schußwaffen, indem sie hohe Anforderungen an den Erwerb und das Führen einer Waffe stellen. Wollte man diese Anforderungen senken und den Waffenbesitz erleichtern, geriete das staatliche Gewaltmonopol unter Druck. Die Polizei würde dann teilweise aus ihrer Verantwortung für den Schutz der öffentlichen Sicherheit entlassen.

Waffen vermitteln ihren Besitzern eine trügerische Sicherheit. Wer glaubt, mit einer Pistole unter dem Kopfkissen ruhiger schlafen zu können, der irrt. Eine Schußwaffe zu haben reicht nicht aus. Man muß damit auch umgehen können und diesen Umgang regelmäßig trainieren, um die Waffe in jeder Lage souverän einsetzen zu können. Vor allem in Streßsituationen wie einem Wohnungseinbruch ist das Risiko, sich selbst oder einen Dritten unbeabsichtigt zu verletzen, hoch.

Es kommt nicht von ungefähr, daß professionelle Waffennutzer wie Sportschützen, Jäger und Polizeibeamte die Handhabung ihrer Waffe nicht nur erlernen, sondern sie permanent einüben, damit es im Ernstfall nicht zu ungewollten Personenschäden kommt.

In den USA hat das großzügige Waffenrecht nicht zu weniger, sondern eher zu mehr Straftaten mit Schußwaffen geführt. Denn die sind eben nicht nur für unbescholtene Bürger, sondern auch für Kriminelle leicht erhältlich – mit der Folge, daß in den Vereinigten Staaten jedes Jahr so viele Menschen durch Schußwaffen sterben, wie eine Kleinstadt Einwohner hat. Wollen wir das auch in Deutschland?

Zugegeben: Der Staat hat die Innere Sicherheit sträflich vernachlässigt. Lieber setzte die Politik den Rotstift an. Bundesweit wurden in den vergangenen Jahren über 16.000 Stellen bei der Polizei abgebaut, und das trotz einer erhöhten Sicherheitsgefährdung etwa durch die offenen Grenzen in Europa. Die Selbstbewaffnung der Bürger kann diese Fehlentwicklung aber nicht korrigieren. Vielmehr muß die Innere Sicherheit wieder höchste politische Priorität genießen, und das nicht nur, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht. Der Schutz des Bürgers vor Kriminalität ist als ein Grundrecht zu begreifen, für das der Rechtsstaat einzutreten hat. In der Praxis heißt das konkret: Die Polizeien des Bundes und der Länder sind personell aufzustocken, die Ausrüstung der Beamten auf den neuesten Stand zu bringen.

Gleichzeitig muß verstärkt gegen illegale Waffen vorgegangen werden. Schätzungen zufolge stehen den 5,5 Millionen registrierten Schußwaffen hierzulande bis zu 20 Millionen im illegalen Besitz gegenüber. Sie stellen das eigentliche Problem für unsere Sicherheit dar, und nicht behördlich erfaßte Waffen von Jägern, Sport- oder Freizeitschützen. Eine weitere Verschärfung der Waffengesetze, wie sie jetzt die Europäische Kommission anstrebt, ist deshalb für Deutschland nicht geboten.

Der Staat muß klare Kante gegen jede Form von Kriminalität zeigen, und das ohne ideologische Scheuklappen. Dazu gehört es, die Grenzen ausreichend zu überwachen, um den unkontrollierten Zuzug auch von Straftätern und die illegale Einfuhr von Waffen soweit wie möglich zu unterbinden. Denn mehr Sicherheit für alle ist das beste Argument gegen die fragwürdige Forderung nach einer Liberalisierung des Waffenrechts, von der nur eine Minderheit profitiert!






Jan Timke, Jahrgang 1971, gründete die Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW) und ist seit 2008 deren Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft. Als Mitglied des Innenausschusses machte er sich einen Namen in der Aufklärung Organisierter Kriminalität. Zuvor arbeitete er als Polizeibeamter im Bundeskriminalamt.