© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/15 / 11. Dezember 2015

„Es wird eine Wahlschlacht geben“
Regionalwahl in Frankreich: Nach dem Siegeszug im ersten Wahlgang will der Front National am Sonntag die Früchte einfahren
Friedrich-Thorsten Müller

Verglichen mit den Regionalwahlen 2010 kommt das Ergebnis  vom ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag einem politischen Erdrutsch gleich. Damals erzielte die von Frankreichs Sozialisten geführte „Liste der parlamentarischen Linken“ im ersten Wahlgang noch 50,2 Prozent, die Konservativen 26,2 Prozent und der Front National (FN) lediglich 11,4 Prozent.  

Fünf Jahre später brachte sich der FN mit 27,7 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft für die Stichwahlen am  Sonntag in Position. Die bürgerliche Opposition unter Führung der Republikaner erreichte 26,7 Prozent, während das Listenbündnis der regierenden Sozialisten mit 23,1 Prozent abgeschlagen Platz drei erreichte. Es war die erste Regionalwahl nach der Reform der Zuschnitte der Regionen, deren Anzahl auf dem Festland von 21 auf 12 reduziert wurde und die erste Wahl nach den Attentaten von Paris.

Sozialisten uneinig über weiteres Vorgehen 

Besonders schmerzlich für Frankreichs etablierte Parteien ist dabei, daß es dem FN gelang, in sechs dieser 12 bevölkerungsreichen Regionen stärkste Kraft zu werden. Dabei erzielte der Front National auch die drei besten regionalen Wahlergebnisse auf dem französischen Festland: In der Region Nord-Pas-de-Calais / Picardie kandidierte FN-Chefin  Marine Le Pen persönlich als Regions-präfektin und geht mit 40,6 Prozent der Stimmen als Favoritin in den zweiten Wahlgang. Gleiches gilt für ihre Nichte, die Nationalversammlungsabgeordnete Marion Maréchal-Le Pen, die mit 40,5 Prozent nur geringfügig schlechter abschnitt. Ebenfalls reale Chancen auf einen Sieg im zweiten Wahlgang hat in der Region Elsaß-Champagne-Ardennen-Lothringen (ECAL) der EU-Parlamentarier und Le Pen-Vertraute Florian Philippot, der 36,1 Prozent erreichte. 

Inzwischen kündigte allerdings der sozialistische Parteivorsitzende Jean-Christophe Cambadélis an, daß die Sozialisten und ihre Verbündeten in diesen drei Regionen auf eine Teilnahme an der zweiten Wahlrunde verzichten wollen, um die Chancen der jeweils besser abschneidenden Konservativen auf einen Sieg zu verbessern. Eine Strategie für die sie aber nach Ankündigung des Republikaner-Vorsitzenden Nicolas Sarkozy keine Gegenleistungen in anderen Regionen erwarten können.

 Allerdings muß davon ausgegangen werden, daß die Sozialisten in der Region Elsaß-Champagne-Ardennen-Lothringen der Vorgabe der Parteiführung nicht folgen werden. Spitzenkandidat Jean-Pierre Masseret will die Kandidatur seiner Liste aufrechterhalten, da „andernfalls zukünftig keine Sozialisten mehr im Regionalparlament sitzen würden“.

Interessant ist das Ergebnis der Elsässer Regionalpartei „Unser Land“. Nirgends in Frankreich war der Unmut über die Zusammenlegung von Regionen so groß wie im Elsaß, das durch die Regionalreform in einer Megaregion aufgegangen ist, die bis vor die Tore von Paris reicht (JF 45/15). „Unser Land“ kandidierte zusammen mit anderen Regionalparteien in Elsaß-Champagne-Ardennen-Lothringen als Formation „Nein zu ECAL, ja zu unseren Regionen!“

„Unser Land“-Bewegung drittstärkste Kraft im Elsaß 

Dabei erreichten die Autonomisten im Elsaß elf Prozent der Stimmen und wurden damit zur drittstärksten und an manchen Orten sogar zweitstärksten Kraft. Durch die neue Megaregion und die Schwäche der übrigen Regionalparteien in der Region ECAL bleibt die Partei aber vom zweiten Wahlgang ausgeschlossen und empfiehlt, bei diesem ungültige Stimmen abzugeben. Zu tief sitzt die Wut darüber, daß Bürgerliche und Sozialisten mit der Regionszusammenlegung aus ihrer Sicht das Elsaß verraten haben, als daß man aktiv dazu beitragen wollte, einen Sieg des FN in der Region zu verhindern.

So zeichnet sich immer mehr ab, daß die Region ECAL am ehesten am kommenden Sonntag als erste Region in der Geschichte Frankreichs einen Regions-Präfekten des FN bekommen könnte. Insgesamt gibt sich die Parteiführung   zurückhaltend: „Es wird eine Wahlschlacht geben, das ist klar“, so die Vorsitzende. Prognosen wagt sie aber keine. Zu schwer kalkulierbar sind die Wählerwanderungen und die Ängste vieler Bürger, ob ihrer Region Nachteile entstehen könnten, auch wenn die Bedeutung der Regionen weitaus geringer ist, als die der Bundesländer in Deutschland.

Foto: Front-National-Chefin Marine Le Pen: Freude über den Parforceritt ihrer Partei bei den Regionalwahlen