© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

Pankraz,
der Klimagipfel und die Menschenflut

Eigentlich wollte Pankraz nichts über den zur Zeit in Paris tagenden „Weltklimagipfel“ schreiben, aber die Redaktion der JF bat ihn ausdrücklich darum und mit guten Gründen. Die Konferenz ende doch erst am 11. Dezember, erst dann könne man als freitägliche Wochenzeitung verläßliche Resümees über sie abgeben, also frühestens in der übernächsten Ausgabe. Inzwischen aber überschlügen sich Fernsehen und Tagespresse ja geradezu mit sensationsheischenden Berichten über das Ereignis. Sei es da nicht gut, in die laufende Ausgabe wenigstens einige kolumnistische Vorabtöne aufzunehmen?

Pankraz ließ sich überzeugen, obwohl er ungute Erinnerungen an den Weltklimagipfel in Kopenhagen vor sechs Jahren hegt, an dem er als schlichter Beobachter teilgenommen hatte. Auch damals gab es ein ungeheures Medienecho. Es gehe „ums Ganze“, hieß es auf sämtlichen Kanälen, Tausende von Diplomaten, Experten und Gutmenschen hatten sich versammelt und demonstrierten höchste Einigkeit in der Absicht, die Welt zu  retten. Danach passiert ist freilich nichts, die Klimaerwärmung setzte sich weiter fort, und kein einziger der angeblich von Menschen verursachten Gründe dafür wurde beseitigt.

Das Gegenteil war der Fall. Die von der Industrie bewirkten „Treibhauseffekte“ vermehrten sich rapide: der CO2-Ausstoß, die Anzahl der Autos und anderer Benzinverbraucher in aller Welt, die gewaltigen Brandrodungen, recte: Urwaldvernichtungen in Indonesien oder Brasilien, mit denen man Raum schaffen wollte für Palmöl-Plantagen. Mit dem Palmöl sollte Ersatz geschaffen werden für die sogenannten fossilen Brennstoffe – nun erwies sich, daß der durch die Waldbrände verursachte CO2-Ausstoß momentan viel größer und à la longue viel gefährlicher war als der durch den Einsatz von Öl und Kohle verursachte.


Auch verdichtete sich seit Kopenhagen die Einsicht, daß noch gefährlicher als CO2 überhaupt das sogenannte Methan (CH4) war, ein Treibhausgas, das zwanzig- bis dreißigmal wirkungsvoller ist als Kohlendioxid. Durch das Anwachsen der Viehherden, speziell in Indien, Afrika oder auch Argentinien, nahm der Ausstoß von Methan inzwischen dramatisch zu, denn die vielen Kühe und Schafe rülpsen ja und lassen noch mehr Gas nach hinten ab, und  im selben Takt, wie sie fressen (und sie fressen faktisch ununterbrochen), erzeugen sie das gefährliche CH4 und treiben so die Temperaturen überall in der Welt in irre Höhen.

Was aber in Indien und Afrika die rülpsenden Kühe sind, das sind in Europa mittlerweile die klimapolitisch scheinbar so harmlosen kleinen Internetnutzer, also jene jungen oder alten Menschen „wie du und ich“, die weder Auto-Abgaswerte fälschen noch Wälder abbrennen. Gerade sie aber, also wir, so mußte der Zeitgenosse seit Kopenhagen zur Kenntnis nehmen,  sind ganz besonders verhängnishaltige, echt katastrophale Klimabelaster. Eine einzige (!) Eingabe von uns im Internet, eine einzige Suchanfrage bei Google erzeugt so viel Treibhausgas wie eine Glühbirne von sechzig Watt, die man anderthalb Stunden eingeschaltet läßt! 

Je mehr wir herumsurfen, um uns über die neuesten Entwicklungen in der Klimafrage kundig zu machen, desto gründlicher verderben wir das Klima. Es ist wie in der Quantenphysik: Die Erforschung einer Sache verändert diese Sache, und zwar hier zum eindeutig Schlechteren. Das gilt natürlich auch und vor allem für die Veranstalter des jetzigen Pariser Klimagipfels. Dieser ist, wie man ausgerechnet hat, mindestens so umweltbelastend wie ein durchschnittlicher Freß- und Rülpstag auf den Viehweiden von mindestens fünfzig südamerikanischen Haziendas.

Es gibt natürlich überzeugte Klimaschützer, die nicht nur Reden halten, sondern „Klimaschutz“ auch in ihrer eigenen Person glaubhaft und  überzeugend vorzuleben versuchen. „A la bonheur“, sagt Pankraz dazu, doch er sagt auch: „Verlorene Liebesmüh“. Globale Projekte wie der Versuch, das Weltklima  „positiv“ zu beeinflussen, sind nie und nimmer Angelegenheit privater Vorbildgeber, sie sind nicht einmal Angelegenheit mächtiger Staatslenker, trotz der großen organisatorischen Möglichkeiten, über die diese verfügen. Weder politische Macht noch persönliches Vorbild können hier etwas ausrichten.


Beide müssen vor der puren Gewalt der großen Zahl kapitulieren. Das Klimaproblem (wenn es denn eines gibt, das auch nur ansatzweise mit menschlichem Vermögen zu tun hat) ist ein Problem der Quantität, nicht der Qualität. Jeder Mensch, wo und in welcher Position auch immer, ist von Natur aus ein „Klimasünder“, belastet den CO2- und Methan-Haushalt, heizt den Treibhauseffekt an, verändert die Umwelt auf neuartige, von der Natur so nicht vorgesehene Weise. Seine Klimabilanz ist immer (immer!) negativ.

Das geht so lange gut, so lange es noch nicht allzu viele von dieser bemerkenswerten Spezies Mensch auf Erden gibt. Wenn die Zahl aber einen gewissen kritischen Grenzwert überschreitet, tritt die Krise ein. Und das scheint heute der Fall zu sein. Bald acht Milliarden Menschen, und jeder mit einer naturgegebenen negativen Klimabilanz, und alle immer noch auf Vermehrung und bequemes, wenigstens erträgliches Überleben aus – das ist eben zuviel für unser „Ökosystem“. Die alten, an sich hoch achtbaren Bibelsprüche – „Seid fruchtbar und mehret euch! Macht euch die Erde untertan!“ – sie gelten nicht mehr, sie erzeugen nur noch Unheil.

Wer so etwas sagt, hat wohl alle gegen sich. Jeder sucht den Balken im Auge des anderen, nicht beim Homo sapiens insgesamt. Doch an der Prognose ändert das nichts: Die einzig effektive Beeinflussung des Weltklimas durch den Menschen läge in der konsequenten und energisch organisierten quantitativen Beschränkung. Doch darüber ist bisher in Paris noch kein Wort gefallen und wird wohl auch keines fallen.

Der Natur, der Erde, ist das natürlich gleichgültig, ihr Rhythmus folgt ganz anderen Dimensionen, als sich das ein menschlicher Klimagipfel vorstellen kann. Nur für uns Menschen wird es eventuell heiß.