© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

„Nur auf Frauen zu schauen, das geht nicht mehr“
Geschlechterpolitik: Ein Kongreß in Nürnberg setzt sich für die Rechte von Männern und Vätern ein und fordert Chancengleichheit
Elena Hickman

In die Ecke gedrängt, ohne Rechte, benachteiligt – es sind nicht gerade die typischen Worte, um einen Mann zu beschreiben. Aber so haben sich viele der Männer bezeichnet, die am vergangenen Samstag am Kongreß „Gender Revisited“ in Nürnberg teilgenommen haben. „Wir fühlen uns nicht gesehen“, sagte einer der Veranstalter, der Vorsitzende des Forums Soziale Inklusion e.V., Gerd Riedmeier. Die Bedürfnisse der Väter würden in Deutschland ignoriert, prangerte Riedmeier an und kritisierte dabei besonders Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD): „Nur auf Frauen zu schauen, das geht heute nicht mehr.“ Es existierten Dutzende von Berichten über „alleinerziehende“ Mütter – und das sei in Ordnung –, nur könne es nicht sein, daß gleichzeitig 50 Prozent der Bevölkerung unsichtbar gemacht würden.

Geschlechterpolitik sei zu lange nur Frauenpolitik gewesen, darin waren sich die rund 150 überwiegend männlichen Teilnehmer des Kongresses einig. Dabei ging es ihnen aber nicht darum, den Frauen ihre gewonnenen Rechte wieder zu nehmen – stattdessen forderten sie Chancengleichheit für beide Geschlechter in allen Lebensbereichen.

„Was wir brauchen, ist ein soziokultureller Strukturwandel“, sagte die Begründerin der Initiative „Gender Pension Gap“, Cornelia Spachtholz. Um eine tatsächliche Chancengleichheit zu erreichen, forderte sie eine Männerquote in sozialen Berufen und die Abschaffung des Ehegattensplittings, hin zu einer individuellen Besteuerung.

 Ein Vertreter der Linkspartei in Nürnberg ermutigte die anwesenden Männer, aus bestimmten Rollenklischees auszubrechen, um den neuen Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden. „Ich finde es wichtig“, unterstrich er, „daß es eine neue Männerbewegung gibt, die antirassistisch und antisexistisch ist.“ Während der Rede versuchten Demonstrantinnen die Veranstaltung zu stören – die etwas „linkeren“, wie der Redner sie bezeichnete. Die „Radikale Linke“ in Nürnberg hatte zum Protest gegen den „antifeministischen“ Kongreß aufgerufen. Die Männerrechtsbewegung verharmlose durch ihre Vorstellung, daß Männer die eigentlich Diskriminierten in der Gesellschaft seien, die gesellschaftliche Realität, hieß es in dem Aufruf.

Bereits im Vorfeld hatte es heftige Kritik an dem Kongreß gegeben. Der Betreiber der Gaststätte, der die Räumlichkeiten für den Kongreß zur Verfügung stellte, zog seine Zusage zurück, weil er unter Druck gesetzt worden war. Auf seiner Facebook-Seite wurden die Veranstalter unter anderem als „sexistisch“, „homophob“, „frauenfeindlich“, „rückwärtsgewandt“ und als „extrem rechte Gruppierung“ bezeichnet.

Sprecher mehrerer Parteien zogen zudem ihre Zusage für ein Grußwort zurück. Die Leiterin der Bayerischen Leitstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern antwortete auf die Anfrage: „Wir werden dafür sorgen, daß niemand am Kongreß teilnimmt.“ Für die Teilnehmer war diese Feindseligkeit nicht verständlich. „Warum soll man sich als Frau nicht auch für Männer einsetzen können?“ fragte die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar, Monika Ebeling. Schließlich würde sie nicht auf einer Insel nur mit Frauen leben. „Es ist schon traurig, daß nur noch die eine Seite gesehen wird“, ergänzte die Mitarbeiterin eines Jugendamtes. Kinder bräuchten Vater und Mutter. „Das darf man nicht gegeneinander ausspielen“, warnte sie, denn alleine schaffe das niemand.

Protest von Feministinnen

 Die Kinder nicht alleine von der Mutter erziehen lassen, sondern gemeinsam und mit gleichen Rechten und Pflichten, das wünscht sich auch Thomas Wiechert: „Es ist wichtig, daß die Erziehung des Kindes (auch vom Gesetz her) gleichmäßig verteilt wird.“ Also endlich weg von der Reduzierung der Männer auf den „Zahlvater“ und der Bevorzugung der Mütter, gerade auch durch die Jugendämter. Das sieht Ebeling genauso: „Man muß schauen, wo der eine vom Gesetz her Vorzüge hat, die der andere nicht hat, und muß das ausgleichen.“ 

Ebeling war 2011 von ihrem Posten als Gleichstellungsbeauftragte abberufen worden, weil sie sich angeblich zu sehr für die Belange von Männern eingesetzt hatte. Für sie ist der Protest der Feministinnen gegen den Kongreß nicht überraschend. In Deutschland herrsche laut Ebeling ein Geschlechterkampf. Manche Frauen frönten diesem Kampf seit Jahrzehnten und „wollen natürlich das, was sie errungen haben, nicht aufgeben“. Sie wünscht sich, daß „diese ganzen Lehrstühle“, die „feministischen und frauenpolitischen Kuriositäten und Überempfindlichkeiten“ abgeschafft werden. Denn das würde nur vom eigentlichen Problem ablenken. „Weg mit diesem Gender-Mainstreaming-Kram, weg mit den Gleichstellungsbeauftragten“, fordert Ebeling. „Wir haben große Fragen, große Probleme zu bewältigen, und da können wir uns nicht mit solchen Kleinkariertheiten befassen.“